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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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Dr. Samstag heute hier?
    – Ach, der sollte hau Nachmittag kommen und mir eine Spritze geben, aber dann es auf einmol ein ganz annern Doktor gekommen, der Dr. Samstag ist mit dem Auto in den Graben gefohren. Da kam so ein Junger, der macht die Vertretung. Der hat gesagt, eysch brauche gar keine Spritze, jetzt geht et mir viel besser, vorher war mir immer so durmelig.
    Maria hat geholfen, Scholmerbach 1977.
    Ich war vollkommen baff.
    – Aber Oma, hast dou denn keine Schmerzen?
    – Hm … et zwickt mich manchmal in der Seite … aber so richtige Schmerzen … et ist mehr, … dass man nicht mehr richtig, … wenn dey Natur nicht mehr richtig ihren Lauf nimmt, … dann ist et einfach … kein Leben mehr …
    – Ach so …
    Ich wagte nicht zu fragen, was sie meinte mit: Die Natur nimmt nicht mehr recht ihren Lauf. Wir sprachen doch nicht über das Untenherum! Diesen Bereich gab es praktisch nicht.
    – Ach, dey Gemeindeschwester kreygt das schon hin. Oder ist das auch en Trampeltier?
    – Ach, sagte sie. Das da ist alles … einfach … nichts mehr nütze …
    – Naja, sagte ich. – Dann … dann … denk einfach an was anneres, es gibt ja noch schöne Sachen. Bloß, weil da … irgendwo was nicht so klappt – hast du doch noch andere Stellen, wo was geht! Zum Beispiel kann man sich schön unterhalten! Erzähl mir was!
    – Ach, was soll eysch erzählen?
    – Vom alten Haus.
    – Ach, das aale Haus. Ja, da habe ich noch lange Heimweh nach gehabt.
    – Es hatte ja auch schönes Fachwerk.
    – Mit geschwungene Bögen. Das hatte nicht jeder.
    – Aber es war zu kalt.
    – Ach naja, man konnte sich ja an den Kohleherd setzen.
    – Aber es war zu klein!
    – Man konnte ja in den Stall gehen.
    – Aber ihr habt kein Wasserklosett gehabt!
    Da schwieg meine Großmutter, denn das Klo war eine schreckliche Angelegenheit und hatte im alten Haus die Romantik schlussendlich doch beeinträchtigt.
    – Schließlich musste man nicht im Winter über den Hof off den kalten Abtritt. Da konnte man sich immer noch in den warmen Stall bei dey Kuh setzen. Aber irgendwann hatten wir ja keine Kühe mehr.
    Im Frühling 1935 bekamen die Zimmerei Heinzmann und der Steinbruch vom Jammertal und die Maurer und Anstreicher von Böllsbach und die Rohrverleger und Heizungsbauer von Wällershofen den Auftrag, vierzehn Baracken auf das Haselbacher Feld zu stellen. Hier wollte der Reichsarbeitsdienst ein großzügiges Gelände errichten mit einem großen Kasino zum Essen und Trinken, mit Schlafsälen und einer Werkstatt und Wachhäusern und Geräteschuppen und Garagen und einem Übungsplatz zum Exerzieren. Die Übungen sollten der Vorbereitung für den Wehrdienst dienen und der Ertüchtigung und Stärkung der verweichlichten, ausgehungerten, schwächlichen, bleichen und arbeitslosen jungen Männer aus Köln oder Frankfurt.
    Die Männer sollten die Sümpfe trockenlegen, Gräben schaufeln durch die feuchten, brackigen Wiesen, und das Wasser sollte abfließen. So konnten die Bauern mehr Wiesen abernten, und die Heuwagen blieben nicht mehr stecken, und das Gras war nicht mehr sauer und verursachte den Kühen Koliken, das war ein Segen für die Scholmerbacher. In der alten, heruntergekommenen Grubenvilla wohnten noch ein paar alte Witwen von ehemaligen Steinbrucharbeitern aus dem Ruhrgebiet. Nun dachte die Partei, dass man die hochherrschaftliche Villa prächtig sanieren könnte für ihre Führungsspitze, und es wäre doch wunderbar, wenn man die alten Ruhrpottwitwen rausschmeißen und das Haus im ganz großen Stil wiederherrichten und Empfänge darin ausrichten würde. Der Feldmeister Schröder könnte da wohnen und auch der Obertruppführer Vogler und der Hauptmann Tomaczek, wenn er zu Besuch kam.
    Die Arbeiten auf dem Haselbacher Feld waren also in vollem Gang, und es war ein Hämmern und ein Sägen und eine Aufbruchsstimmung und eine neue Hoffnung, und mittendrin die aufgescheuchten Ruhrpottwitwen, die nun keiner mehr brauchte und die man irgendwohin stecken musste.
    Da kamen Heinrich und Fredo, die treuen Parteimitglieder auf den Gedanken, Apollonia zu besuchen:
    – Apollonia, sey mal, dou hast doch noch Platz in deinem Haus, dou musst die Witwen aus dem Ruhrgebiet aufnehmen. Es reicht doch hinten nicht und vorne nicht, und so kriegst du noch ein wenig Miete.
    – Mir han keine Platz, sagte Apollonia. Mir han oben zwei Zimmer und unten zwei Zimmer. Wo solle dey denn wohne? Sollen mir im Stall schloofen?
    – Dou kannst es dir noch

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