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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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nach einem Bad im Fluss, wie ein Vogel im Wind. Jetzt aber fehlte was, natürlich, es war kein Priester da, der mir die Buße auferlegt hätte, ich hatte nur Beichten gespielt, und es fehlte die Reue im allerletzten Augenblick. Ich wollte mir wohl ein Geheimnis vor dem Herrgott bewahren, er sollte mir nicht überall zuschauen, er hatte mir die Dornenhecken und die Wildbeeren und die Schafgarben geschickt, um Jim und mich zuzudecken, da brauchte ich ihm nicht alles zu sagen.
    Zum ersten Mal verweigerte ich dem Herrgott die Beichte aus ganzem Herzen. Ich ließ ihm bloß die Trunksucht da und die Hausaufgaben, die konnte er meinetwegen haben, wenn er so erpicht war auf meine Schlechtigkeiten, wenn er so darauf aus war, meinetwegen. Aber meine Jungfräulichkeit nahm ich wieder mit, darüber sprach ich sowieso lieber mit Maria; auch sie hatte dem Herrgott und der Menschheit da etwas vorenthalten, niemand konnte wirklich wissen, was in ihrem Schoße vorgegangen war.
    Und so kniete ich mich wieder hin und las die Votivtafeln: Maria hat geholfen, Bölsbach 1910. Maria, wir danken dir, Linnen 1924. Maria, Hilfe in tiefster Not, Wällershofen 1934. Maria, unsere Rettung, Scholmerbach 1942.
    Was konnte Maria mir sagen? Welchen Hinweis mochte sie mir geben? Vielleicht würde ich ihre Antworten nicht im Nebel finden, vielleicht würde sie sie mir auf dem Nachhauseweg senden, mit einem Vogel oder einem Busfahrer oder einem Lied im Radio. Vielleicht schickte sie Dr. Samstag einen platten Reifen oder ließ die Apothekerin am Elternabend auf meine Mutter treffen, oder meine Großmutter ereilte ein Schwächeanfall. Vielleicht schickte sie mir auch ein sicheres Gefühl, was zu tun sei … Noch wusste ich es nicht.
    Ich bekam Hunger, und an meiner Wange herunter fiel mein ungekämmtes Haar mit den vielen kleinen Knötchen, das nicht so schön aussah wie das prächtige Haar von Apollonia, selbst jetzt, wo es grau war und zu albernen Zöpfen geflochten. Ich musste nach Hause gehen und mich waschen und etwas essen, dann meine Hausaufgaben nehmen und mich zu meiner Oma ans Bett setzen und lernen. Dann war sie nicht so allein, und wenn sie einen Wunsch hatte, dann wollte ich ihn ihr gerne erfüllen.
    Meine Mutter legte mir einen Brief hin:
    Er war dünn und hatte einen Luftpostrahmen und war abgestempelt in Wällershofen und hatte als Absender die U.S. Kaserne Fivel Fox auf der Struderlehe. Mir klopfte das Herz bis zum Hals, und mir wäre lieber gewesen, meine Mutter hätte nicht so komisch geguckt und ich hätte ihr den Brief nicht derart aus der Hand gerissen und wäre so die Treppe hinaufgerannt, dass ich mir fast den Hals gebrochen hätte. Jetzt wussten alle, dass ich was mit einem Ami hatte. Ich hatte mich saublöd verraten. Bald schon würde ich mich rechtfertigen müssen, ich war kein Soldatenflittchen wie Hennegickels Marlene und würde lauter schreckliche Fragen beantworten müssen, und meine Familie würde unsere tiefe Liebe mit ihren furchtbaren Verdächtigungen überschütten.
    Aber ich konnte kaum abwarten, was Jim mir geschrieben hatte und riss den Umschlag mit zitternden Fingern auf. Er hatte drei getrocknete Blümchen hineingesteckt und da stand:
    Roses are red,
    violets are blue
    sugar is sweet
    and so are you.
    I come back on Friday – I want to see you in the Jonnies – I miss you, my Marie …
    Love forever,
    Jim.
    Überglücklich bedeckte ich den Brief mit Küssen und steckte ihn in meine Schmuckschachtel und verschloss sie mit meinem kleinen goldenen Schlüssel und hoffte, dass meine Brüder sie nicht fanden. Dann holte ich den Brief wieder heraus und nahm ihn mit zu meiner Oma, um ihn ihr vorzulesen. Sie würde ihn ja nicht verstehen, aber ich musste mein Glück mit jemandem teilen.
    Oma lag auf dem Rücken wie immer, und ihre blässlichen Lippen waren mit rosa Glyzerin eingepinselt, und ihre Zöpfe lagen albern links und rechts auf dem Kissen, und sie schnarchte ein wenig oder atmete einfach sehr laut. Ich setzte mich an ihr Bett und sagte:
    – Oma, eysch hab en Brief bekommen, einen Brief von Jim, von meinem Liebsten!! Er kemmt bald frei! Und er hat mir ein Gedicht geschrieben, ein AMERIKANISCHES !!! Roses are red, violets are blue, sugar is sweet and so are you!!
    Oma schlug die Augen auf und sagte:
    – Die Amerikaner schwetzen immer, als hätten sie Kaugummi im Mund.
    Ich war schockiert. Oma war glockenklar.
    – Hä?? Hast dou mich verstanden?
    – Eysch verstehn doch kaa Englisch.
    – War der

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