Apollonia
unbeherrscht. Was wartest du noch?!?
Da drehte sich Kurt langsam um, sehr langsam, und brachte es fertig, erst noch dem Klemens einen Schnaps einzugießen und danach in den Garten zu gehen, um den Käfig abzuhängen und den Papagei hereinzubringen.
– Na, dann komm mal her mit dem lieben Vieh!
– Prost – du Kakadu!, schrie der Obertruppführer, und das hielt Kunigunde wiederum für einen unglaublichen Witz und lachte sich schier halbtot.
Kurt wollte den Käfig nicht loslassen, aber Mörser griff in den Käfig hinein und packte den Papagei gegen den Widerstand seiner heftig schlagenden Flügel und sah ihn verliebt an.
– Na du du du du?
– Kakadu??, sagte Vogler, und Kunigunde wollte wieder sterben.
– Ich wollt’ ich wär ein Huhn, ich hätt’ nicht viel zu tun …, sang Malwine …
– Na!, sagte Feldmeister Schröder.
– Wieso, was denn?, fragte Malwine.
– Das ist doch von den Comedian Harmonists!
– Ja, herrlich!!
– Die sind doch jüdisch!
– Waas?, rief Malwine. Ei, ja meine Güte, nein, aber das ist doch ein schönes Lied, …wollt’, ich wär ein Huhn … ich legte jeden Tag ein Ei, und Sonntag hätt ich frei!!
– Ich verbiete dir, das hier zu singen!, sagte Feldmeister Schröder entschieden.
– Pfft, sagte Malwine. Man kann doch mal singen.
– Sag Heil Hitler!, sagte Mörser zu dem Papagei.
Aber der Papagei flatterte und krächzte und hackte nach Mörser.
– Sag Heil Hitler. HEIL HITLER ! Heilhitler. Hoilhütler …
Der Papagei krächzte und hackte.
– Wenn er Angst hat, lernt er nichts, sagte Kurt.
– Misch du dich nicht dazwischen, sagte Mörser! – Wir müssen dem Vieh das beibringen! Du musst es dem Vogel vorsagen!! Jeden Tag! Bis nächste Woche muss der das gefälligst können!!!
Da lachten alle Leute, bloß nicht Kurt und bloß nicht Klemens an der Theke, und man konnte nicht begreifen, warum Kurt überhaupt keinen Spaß verstand. Warum lachte er nicht? Das gefiel Mörser gar nicht. Fressen und Saufen, das ließ sich der Kurt gerne gefallen, aber im Großen und Ganzen war der Kerl undurchsichtig und hielt hinter dem Berg. Man konnte nicht sicher sein, was er dachte.
Argwöhnisch stopfte Mörser den Vogel wieder in den Käfig und ließ ihn zurückgehen, aber er nahm sich vor, Fredo Bescheid zu sagen. Der sollte den Kurt unter der Woche im Auge behalten. Ob man ihm wirklich trauen konnte, und wenn nicht, dann musste man ihm mal auf den Zahn fühlen.
Mein Großvater war mit seiner Idee von den Hundekisten nicht weit gekommen, auch wenn der Kurt die Kisten sicher gut hätte brauchen können, für seinen Fuchs und für sein Eichhörnchen, die er hegte und pflegte, dann konnte er den Fuchs ja mal mitnehmen auf Reisen. Kurt träumte ja immer von Südwestafrika, und dort hätte er bestimmt einen lebenden Tiger gefangen und ihn auch mit nach Hause gebracht und in seinen Garten gesetzt und vielleicht noch ein Zebra dazu oder eine Antilope.
Dann dachte mein Großvater Klemens wahrscheinlich, ach, hat doch alles keinen Zweck, trinken wir lieber noch einen, und erzählte beiläufig von den Kisten, und die sonst noch in der Waldeslust waren und es hörten, tippten sich an die Stirn und der Kurt Siebert hörte gar nicht zu.
Er nämlich dachte an nichts anderes, als dass er auf keinen Fall seinem Papagei beibringen würde, Heil Hitler zu sagen.
Meine Großmutter Apollonia aber hatte bald eine hübsche neue Bluse und einen schönen schmalen Rock wie in dem einen Heft die Olga Tschechowa. Die Ruhrpottwitwen Wilhelmine Wratzlaw und Luise Auguste Nowak hatten einen feinen Stich, und gegen den selbst gemachten Käse und Butter aus der Kirn und die Milch von der Lore und die Eier von den braunscheckigen Hühnchen und ab und zu ein wenig Schinkenspeck sonderten sie gerne mal eine Tischdecke oder einen Vorhang aus dem Kasino vom Reichsarbeitsdienst aus. Als aber die neue Bettwäsche kam für die Arbeiter aus Köln und Frankfurt, da hatte meine Großmutter Apollonia auf einmal ein wunderschönes blauweißrot kariertes Kleid mit einem Glockenrock, so frisch und munter mit einem roten Gürtel, und Marianne bekam ein passendes Schürzlein auf einem weißen Rüschenkleidchen mit einem Propeller dazu.
Damit gingen sie am Sonntag auf dem Zimmerplatz zum Kaffeetrinken.
Meine Urgroßmutter Charlotte und mein Urgroßvater Josef aber hatten ganz andere Sorgen. Ihr Betrieb ging gut, aber sie hatten vierzehn Kinder geboren und fünf an Scharlach verloren. Je länger sie im
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