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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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aus Marienburge im Hintergrund mitspielen konnte. Übers Jahr spielte er sämtliche Kirchenlieder nach dem Gehör und begleitete die Messe und hatte sich alle Akkorde selber erfunden. Die ihn hörten, sagten: Sieh mal einer an, der Klemens, das hätten wir ihm nicht zugetraut, und sie bewunderten ihn: Wie kann sich einer selber das Orgelspielen beibringen, das muss doch gelernt sein, aber für Scholmerbach reicht es allemal. So haben wir doch wieder ein Harmonium und schöne Musik in der Kirche!
    Die Glocke aber, die die Männer von Scholmerbach von der braven Liesel und dem blinden Hans zu den Weidehecken hatten ziehen lassen und dort nachts in einem tiefen Graben versenkt und mit Schaufeln und Spaten zugeschüttet hatten, diese Glocke hieß: »Maria, bitte für uns«.
    Dort musste sie nun ruhen, es durfte niemand von der Glocke etwas wissen, und sie musste tiefer und tiefer sinken wie ein stummes, vergessenes Gebet.
    Malwine, Kunigunde und Theodora waren nicht umsonst auf der Welt, und wenn es anderswo nicht rosig aussah, so musste man sich ja nicht die Laune verderben lassen, und warum immerzu Trübsal blasen, davon wurde es ja auch nicht besser.
    In der Waldeslust im Separee war noch immer was los, und Deutschland wird siegen, und wenn auch der Papagei nicht Heil Hitler sagen wollte und man von Stalingrad besser schwieg, so flogen die Korken umso lauter. Der Krieg war ja kein Kinderspiel, und irgendwo musste man es sich mal gutgehen lassen. Malwine hatte daheim hinter dem Ofen die rote Wandfarbe abgekratzt und sich damit die Wangen rot gefärbt und die Eisen in den Kohleherd gelegt und sich Locken damit gemacht und dabei beinahe die Haare abgebrannt. Theodora trug eine Frisur wie Marika Rökk, das Haar an den Schläfen mit Kämmchen zurückgesteckt und einige lustige Löckchen in die Stirn. Kunigunde aber hatte sich das Haar auf Holzstöckchen aus dem Wald gedreht und mit Gummistreifen aus einem kaputten Schlauch festgemacht und so Locken gemacht, die kringelten sich jetzt um ihr Gesicht, und auf dem Hinterkopf trug sie eine rote Schleife.
    Feldmeister Schröder starrte schon eine Weile vor sich hin und wollte nicht recht mitmachen bei dem lustigen Treiben, und obwohl Kurt Sieber schon das fünfte Bier brachte, schien es Schröder nicht zu schmecken, als hätte er Magenschmerzen oder es drückte ihn die Leber, und es war gerade so, als wollte er den anderen die Moral verderben.
    – Schröder!, rief der Obertruppführer Vogler. Was Schlechtes gegessen, oder was? Oder warum machst du so ein sauertöpfisches Gesicht?
    – Ach, sagte Schröder. Geht schon.
    – Stehen die Truppen schlecht …?, gurrte Malwine.
    – Davon verstehen Frauen nichts, sagte der Gauleiter. Der ist nur sauer, weil er schon seit zwei Jahren kein Weib mehr hatte, haha!
    – Blödsinn!, schnauzte Schröder ihn an, und Malwine und Kunigunde sahen sich an, denn eine jede hatte heimlich schon mal mit Schröder poussiert. Der Truppführer war ja auch kein Kind von Traurigkeit, und überhaupt war ja niemand am Tisch ein Kind von Traurigkeit, und im Krieg nahm man es nicht so genau, da wusste man nicht, was morgen geschah und wann womöglich Bomben auf Scholmerbach fielen, nicht wahr? Da konnte alles schneller vorbei sein, als es einem lieb war, oder es nahm einem den Liebsten schneller, als es einem lieb war, und ruckzuck stand man da und hatte niemanden mehr. Besser, man drehte sich noch die Locken auf glühendem Eisen, und besser, man kratzte das Rot von den Wänden, um es auf die Wangen zu schmieren. Schließlich musste man sich rühren, wollte man noch einen Kerl haben, der nicht zerschossen und zerschlagen im russischen Feld oder im belgischen Chausseegraben oder in der afrikanischen Wüste lag.
    Feldmeister Schröder war ein braver Mann und vom Reichsarbeitsdienst und nicht so stramm wie der Kreisleiter oder Fredo oder der Gauleiter Mörser. Ihm schlug alles eher aufs Gemüt. Seit Stalingrad schien er schwermütig zu werden, aber Schwermut konnte kein Mensch gebrauchen und Malwine schon gar nicht. Sie nahm einen Schnaps, hielt ihm die Nase zu und goss ihn einfach in seinen Mund.
    – Schiss ist Trumpf!, sagte sie. Was soll’s!
    Der Feldmeister reagierte immer noch nicht. Da fing Malwine an zu singen.
    – Wir machen Musik, da geht euch der Hut hoch, wir machen Musik, da geht euch der Bart ab, wir machen Musik, bis jeder beschwingt singt: do, re, mi, fa, so, la, si, do … Musik, da geht euch der Knopf auf …
    Doch dem Feldmeister fiel

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