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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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den Namen Frieda, und Marianne und Apollonia wussten sich vor Glück nicht zu fassen. Nur die Zimmerleute hatten noch zwei Gäule und der Pitsches Bauer und sonst keiner. Gut, sie hatten keine Deichsel, und so konnte Frieda keinen Wagen ziehen, und der Stall war ein Kuhstall, und Frieda konnte den Kopf nicht so recht heben, man musste sie in der Scheune stehen lassen oder hinterm Haus auf der Wiese. Aber was machte das schon, wenn man ein Pferd sein Eigen nennen konnte? So ein prächtiges Tier, das man streicheln und bewundern konnte und anschauen und hegen und pflegen. Da musste ein Gaul nichts können. Es genügte, dass er da war, und man konnte mit ihm durchs Dorf gehen, und wozu sollte Frieda was können außer saufen und fressen?
    Frieda war das große Glück und der Beweis dafür, dass es einen Gott gab und dass Gott herrlich war und groß, und Gott hieß Frieda und war ein Gaul.
    Meine Großmutter hatte nie ein Pferd geritten und wollte es auch nicht, denn noch immer war Frieda so mager, dass der Dapprechter Gustav zwei Hüte an seine Kruppe hätte hängen können. Die kleine Marianne und ihre Freundinnen Irmchen und Herta spielten mit dem Gaul und zogen mit ihm auf den Sumpfwiesen herum, und mein Großvater Klemens liebte Frieda auch, vom ersten Tag an, und anstatt das ganze Korn zu Schnaps zu machen, ließ er was übrig, damit das Pferd zu Kräften kam, und Apollonia sagte:
    Ein wenig brauchen wir auch, um Brot zu backen. Jeden Tag ziehen die Kölner hier durch und die armseligen Frankfurter, wir müssen auch fressen.
    Da meinte mein Großvater, er wolle sehen, wie viel in der Schneidmühle noch herumstünde und ob er dem Balduin was abschwatzen könne, aber Apollonia meinte, er solle stattdessen das Schnapsbrennen sein lassen. Das fiel meinem Großvater Klemens aber im Traum nicht ein, denn wie sollte einer diese schwere Zeit ertragen, wenn er nicht ab und zu ein Schlückchen zu sich nahm, und auch die Ruhrpottwitwen waren dankbar, wenn sie sich mal einen genehmigen konnten, denn wer trinkt, der vergisst, was nicht mehr zu ändern ist. Sonst kann man das ja alles gar nicht aushalten. Sonst verliert man ja den Verstand und überhaupt, Weibergeschwätz.
    Da schwieg Apollonia, denn wenn mein Großvater »Weibergeschwätz« sagte, dann waren seine Ohren verschlossen, da konnte sie genauso gut mit der Wand reden oder dem alten Kolle seinem Ochsen.
    Klemens hatte einen Holzkopf, sagte Apollonia, und je mehr er nicht hörte und je mehr der Westerwälder Wind an seinem Schädel vorbeirauschte und alle Worte davontrug, als gelten sie ihm nicht, umso mehr stieg die Dapprechter Wut in ihr empor, und wenn die Dapprechter Weiber wütend werden, dann gnade einem Gott.
    Das Korn auf dem Speicher war beinahe verbraucht, nur Mäusedreck fand sich noch im Sieb, sie hatten noch drei Laibe Brot, die waren vom letzten Backhaustag vor drei Wochen und inzwischen hart wie Stein. Wenn die neue Ernte kam, musste sie das Korn vor Klemens verstecken und die Zimmerleute warnen. Wenn das Korn aus der Dreschmaschine kam, durften sie Klemens nicht jeden Sack mitgeben, er kriegte sie nicht alle mit heim. Die Männer sollten das Korn in die Säcke füllen, während er an der Dampfmaschine stand. Mit der Dampfmaschine lief nämlich auch die Dreschmaschine. So konnte er die Säcke nicht zählen.
    Nun aber war Apollonia für das Backhaus gemeldet, am nächsten Donnerstag frühmorgens, und hatte schon das Reisig für den Ofen gesammelt und den blauen Steintopf mit dem Sauerteig vom letzten Brotbacken hervorgeholt und den schweren Backtrog die steilen Treppen heruntergetragen. Wenn sie aber nicht genügend Korn hatte, um es in der Schrotmühle mahlen zu lassen, dann brauchte sie am Donnerstag auch gar nicht erst ins Backhaus zu gehen. Klemens hatte nämlich wieder fleißig geräumt und war im Keller am Waschkessel zugange gewesen, und es brauchte viele Milchkannen voller Maische für ein paar Flaschen Schnaps, da vergor so einiges, bis man ein paar kostbare Tropfen gesammelt hatte. Und eines musste man ihm zugute halten: Korn schmeckte um vieles besser als der schreckliche Kartoffelschnaps, und der Kartoffelschnaps erinnerte alle nur an das schreckliche Unglück, als sie von dem Wagen gestürzt waren nach dem Kartoffelnaustun und sich beinahe gegenseitig mit den Säcken erschlagen hätten.
    Als aber Apollonia auf den Speicher kam und auf dem ausgebreiteten Korn eine ganze Schaufel voll fehlen sah, die mein Großvater soeben im Keller verbrannte,

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