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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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beleidigt, dass er nicht enttäuschter war.
    – Ick bringe dir nock bis uber die Felder, sagte er.
    – Na gut!
    So brachte er mich noch bis hinters Jammertal, zur Gemarkung von Scholmerbach, und rannte dann nach Wällershofen zum Jonnies, da konnte er sich frei bewegen. So was muss ein Mann mal dürfen, hatten mich die Weiber von Scholmerbach gelehrt. Man musste einen Mann von Zeit zu Zeit in Ruhe lassen, denn ein Mann war wie ein Ziegenbock, und wenn man ihn zu stark anbinden wollte, dann riss er den Pflock aus und verschwand ganz und gar.
    Ich aber wollte wissen, wie es meiner Oma ging.
    »Den Umständen entsprechend« sagte meine Mutter und dass man sie operiert habe bis halb drei. Dass der Doktor noch nichts sagen könne, sie müsse bestimmt mindestens ein, zwei Wochen dort bleiben und man müsse die Gewebeprobe abwarten. Sie sei jetzt wieder bei sich und brauche Ruhe.
    – Oh jeh, sagte ich. Hat sey schon irgendwas gesagt?
    – Sey es nur so im Dussel. Morgen fahren wir wieder hin.
    Was für eine Aufregung. Und warum ich überhaupt Motoröl auf der Bluse hätte und auch am Ärmel? Genauso ein Schmier, wie ihn der Schim bei seinem Besuch an der Hose gehabt hätte.
    – Ach, das, sagte ich. Bei der Army war Tag der offenen Tür. Da durfte ich mol in so en Panzer rein … die sind ganz eng drin! Da hab ich mich schmutzig gemacht!
    – Erzähl mir nichts, sagte mein Vater. Im Panzer werd man nicht schmutzig! Wenn heut nicht gerade der Operationstag deiner Oma gewesen wäre und wir nicht sowieso so viel Aufregung gehabt hätten, dann müsste ich mol en ernstes Wörtchen mit dir schwetzen.
    – Hä?!
    Ein ernstes Wörtchen. Ich wollte kein ernstes Wörtchen. Ich ging in die Küche und schmierte mir ein Brot mit Rama und Streichkäse und Tomaten und eines mit selber gemachtem Zwetschgenkraut und suchte nach Bohnenkaffee, denn den trank ich genauso gerne wie Apollonia. Ich trank überhaupt am liebsten Kaffee mit Apollonia. Nun sollte ich ihn mit meiner Familie trinken. Das gefiel mir gar nicht, ernstes Wörtchen, wie ungemütlich. Bei meiner Großmutter war alles viel besser, obwohl sie schon eine Weile nicht mehr so war wie früher.
    – Dou musst dich mal mit annern Dingen beschäftigen als immer nur mit dir selbst oder der Krankheit oder dem Lewe deiner Großmutter. Und ob dein neuer Freund der Richtige ist für deysch … wenn ich das so sey … der ist doch viel älter als dou.
    – Wieso, ich seyn bald siebzehn!
    – Dou seyst immer noch sechzehn, und er ist einundzwanzig, und da hat ein junger Mann schon ganz andere … andere … Vorstellungen und … Ansprüche an ein Mädchen oder eine junge Frau, die dou noch nicht erfüllen kannst!
    – Ich dacht, ihr habt euch so gut verstanden, beim Grillen! Readers Digest, Humor in Uniform! Amen!
    Meine Eltern machten sich Fleischwurst warm, und Vater nahm sich noch einen Brathering, dazu tranken sie Bouillon und Bier, und meine Brüder aßen Brot mit Eszettschnitten und verschwanden dann wieder zum Fernseher und sahen Raumschiff Enterprise.
    – Das es ja auch ein netter junger Mann. Aber Marianne und ich, mir sind uns nicht sicher, ob er dich nicht … in Bedrängnis bringt … also, ob he dir nicht zousetzt … Aber darüber wollte eysch eigentlich ein andermal mit dir reden, man ist jo ganz kaputt.
    – Schon gut! sagte ich. Schon gut!! Wir brauchen gar nicht reden. Et ist gar nicht so ernst mit uns. Jim wird sowieso bald versetzt. Das hat sich dann erledigt! In … vier Wochen.
    – Ach … wirklich?!
    Ich musste meinen Eltern das Thema entziehen. Nichts gegen meinen Vater. Er war keinesfalls ein Unmensch. Er fuhr mich nach Ellingen in die Höhlendisco, er half mir bei den Schularbeiten, er gab mir Taschengeld, er verteidigte mich gegen meine Mutter, wenn ich Mist gebaut hatte, er reparierte mir das Regal, er tanzte auf dem Tanzschulabschlussball den Pinguintanz. Er verstand bloß nichts von der Liebe. Was er sagte, galt für Hennegickels Marlene oder Lydia Kosslowski, nicht aber für mich, und ich konnte es nicht ertragen, wenn er oder meine Mutter etwas sagten über meinen Jim. Meine Großmutter Apollonia hatte gesagt: Die Menschheit will belogen sein. So war das auch bei uns, mir war die Lüge schneller über die Lippen geschlüpft, als ich denken konnte. Es ging ganz einfach.
    Meine Mutter sagte, naja, es wäre ja gut, wenn ich es nicht so schwer nähme. Beide sahen sehr überrascht und doch recht erleichtert aus, und dann meinten sie, als Elvis

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