Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
Vom Netzwerk:
das Lachen schwer.
    – Vielleicht singst du einfach nicht schön genug, sagte Kunigunde. Es liegt an deinem Gesang, da geht es ihm gleich noch schlechter.
    – Ach, lass mal, sagte Schröder und sank Malwine in die Arme. Es tut gut, wie sie sich müht. Sie soll nur weiter singen.
    Malwine sang:
    – … da bleibt euch die Luft weg, wir machen Musik, bis euch unser Takt packt: do, la, so, mi, do. Mit Musik ist ja das ganze Leben nur noch halb so schwer …
    Da fand Feldmeister Schröder, dass es ihm an der Brust von Malwine und in ihren weißen Frauenarmen etwas leichter ging, und während sie an der Zigarette zog und auf Musik, Musik, Musik immer die Zigarette schwenkte, fühlte er sich auf einmal so wohl. Warum gab er nicht einfach nach und ließ sich ein, dann hatte er ein Daheim, er fiel hinein in ein Haus in Scholmerbach und war aufgenommen, als wäre er einer der ihren. Sie machten ihm die Türe auf, sperrangelweit, warum auch nicht, wen scherte es noch? Nach dem russischen Winter glaubte er im tiefsten Herzen nicht mehr an den Endsieg, aber das durfte er an diesem Tisch nicht sagen. Verräter sein, das bedeutete, in Langenberg im Steinbruch zu stehen und sich erschießen zu lassen vom Standgericht der Wehrmacht.
    Malwines Brust war weich, und der Feldmeister hatte sein sehr müdes Haupt daraufgelegt. Malwine glaubte schon, den stillen Triumph auskosten zu können, und zwinkerte Theodora zu, und Kunigunde und trat ihnen unter dem Tisch ans Bein.
    Da meinte Fredo, der furchtbare Gesang von Malwine sei ja nicht auszuhalten und Kurt habe doch den schönen Volksempfänger, den wollten sie doch mal anmachen, und schon stand er auf, aber der Kurt rief:
    – Das mach ich selber!
    Und Fredo meinte – lass mal, ich muss mir sowieso die Volksempfänger ansehen, mein lieber Freund!!
    Und er ging zu dem schönen Eckregal mit der Schnitzerei und der Bordüre aus Kopenhagener Spitze und schaltete mit einem Ruck den Volksempfänger an, und Kurt stand stumm und starr hinter der Theke, und der Ton rauschte und kratzte, bis das Gerät aus weiter Ferne einige Stimmen aufnahm und in die Waldeslust holte. Alle verstummten schlagartig, als ein deutliches Klopfen erklang, dreimal kurz und dreimal lang, ein Klopfen von Paukenschlägen, und eine Stimme schallte durch die Waldeslust: »Hallo, hier ist England!« Fredo schrie, was soll das heißen, und im Radio sprach die Stimme ungerührt weiter und sagte dem deutschen Volk, das industrielle Kernland Deutschlands, nämlich das Ruhrtal, sei durch den Angriff der Royal Air Force endgültig zerstört, und die Waffen- und Munitionsversorgung für die Front massiv gestört. Deutschland habe in der Schlacht um Stalingrad 150 000 Mann verloren und sei nun dabei …
    – Was soll das?, schrie Obertruppführer Vogler, rannte in Riesenschritten zum Volksempfänger und riss den Stecker heraus. Wer hat den Feindsender eingestellt??
    – Das weiß ich doch nicht, sagte Kurt mit großen Augen, ich bin nicht immer im Schankraum, ich gehe in den Keller Wein holen oder in die Küche, die Leute bedienen sich selbst … so ein Sender kann …
    – Der war auf BBC eingestellt, du Lügner mit deinem frechen Maul! Du bist mir nicht geheuer!, schrie Vogler, du bist mir nicht geheuer!
    – Ich kann doch nicht die ganze Zeit vor dem Volksempfänger stehen und aufpassen, dass keiner an ihm herumdreht. Ich muss nach den Tieren sehen, ich hole das Gulasch. Ich habe noch keinem verboten, ein wenig Musik zu machen. Ihr seid doch bei mir wie zu Hause, vielleicht hat einer von euch den Sender verstellt, vielleicht wollt ihr ja auch mal was von der Front hören.
    – Halt’s Maul!, rief Gauleiter Mörser. Hast du den Verstand verloren?! Wir wissen genau, was los ist an der Front, wir werden den Endsieg erringen, und wir stehen wie ein Mann hinter dem Führer und dem Großdeutschen Reich, wir sind in der Offensive an der finnischen Front!! Wir stehen mit deutschen Panzern vor Kursk! Italien hält treu die Stellung!! Sieg Heil!!
    Kurt verzog das Gesicht, und Fredo sagte:
    – Kurt, füg dich. Dou weißt, der Sender ist verboten und uns noch frech ins Gesicht zu lachen, das es allerhand.
    – Der Afrikafeldzug ist auch verloren, sagte Kurt, Rommel ist raus, und es war die totale Kapitulation. Das muss man doch einsehen. Ob ich jetzt an dem Knopf da drehe oder nicht.
    Da ging der Gauleiter Mörser ganz langsam an die Theke und packte Kurt am Kragen, und Kunigunde und Theodora schrien vor Entsetzen. Dann sagte

Weitere Kostenlose Bücher