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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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Groth, der Josef May, der Alois Seelbach und der Helmut Leukel und der Albert Lass, der Rudolf Lehnhard und der Edi Groß. Und der Bernhard Schamp und Willi Walbrecht waren vermisst.
    Da standen die Leute am Kirchentor und warteten, bis mein Großvater herauskam und dankten ihm, weil er so schön gesungen hatte, und dann sagten sie:
    – Warum gehst dou dann nicht in den Krieg?
    Mein Großvater blieb stumm.
    – Kriegswichtige Produktion … murmelte er dann. Eysch muss hey bleiben.
    – Bretter und Kisten, sagten die Leute dann. Bretter und Kisten sind kriegswichtig.
    – Ich hun den Krieg net gewollt, sagte Klemens. Ich war immer dagegen. Der Herrgott hat net im Sinn gehabt, dat mir die Völker überfallen, einfach so …
    – Na und?, sagten die Leute. Do wird man nicht nach gefragt, ob man das will oder nicht! Aber unsere Männer werden totgeschossen und dou sitzt daheim und drückst dich vor deine Vaterlandspflichten, so sieht et aus!!
    – Vaterlandspflichte … Vaterlandspflichte … Ich kämpfe für mein Vaterland, solange wie die sich in Berlin rechtens benehmen … aber das sind doch Verbrecher und Verrückte. Sich für die zu opfern und in den Krieg zu ziehen, weshalb denn?
    – Ach dou machst es dir einfach! Das es net recht.
    – Ach, losst mer doch mey Rouh.
    Mein Großvater fühlte sich zu Unrecht gescholten, denn der ganze unchristliche Aufmarsch von diesem braunen Pack war ihm zuwider – ja, ihm war es gerade so, als sei Adolf Hitler der Antichrist selber. Wer hatte schon soviel Mord- und Schandtaten über das Land gebracht, wer hatte so viel Unrecht und Gräuel befohlen, wie viel galt ihm ein Menschenleben und wie viel Gottes Kreatur? Geradezu abscheulich fand mein Großvater ihn, und abscheulich fand er jeden, der für ihn die Fahne schwenkte, und einer davon war Fredo, und der bog gerade um die Ecke und fragte:
    – Was ist das für ein Aufstand!? Ihr dürft euch nicht versammeln!
    Und mein Großvater sagte:
    – Ach Fredo, halt doch dein Maul.
    Er hätte genauso gut fragen können:
    – Fredo, wo geht es denn hier ins Zuchthaus?, oder: Fredo, wann darf ich Kurt in Dietz besuchen? Wo fährt der Zug zum Arbeitslager?
    Denn Fredo zeigte jeden an, ob er nun schwarz schlachtete oder Feindsender hörte oder nicht verdunkelte, Fredo nahm es ernst, ganz ernst und immer ernster, und nun war mein Großvater Klemens reif.
    – Deych hun ich schon lange im Visier.
    – Dann hun ich ja bis jetzt noch Glück gehott.
    – Eych weiß, wat dou so von dir gibst. Ich weiß das. Dou hast Zweifel an der Partei. Dou hast Zweifel an der Weltanschauung. Dou verbreitest Zweifel an der Berechtigung des uns aufgezwungenen Lebenskampfes, und dou hast Zweifel an unserem Führer! Dat schwächt den Mut und die Widerstandskraft unseres Volkes, dat steht unter Strafe!
    Mein Großvater war sich nicht sicher, wie sehr er weiterhin Widerworte geben konnte oder ob er doch besser still war, aber das war schwer für ihn, wo er doch wusste, dass er recht hatte, und einer musste schließlich die Wahrheit sagen. Ganz gleich wo er hinkam, es wurde ungemütlich für ihn. Da tanzte Apollonia mit dem Schürhaken, und hier beschimpften ihn die Dorfleute, weil er nicht in den Krieg zog, und dort stand Fredo und zieh ihn wegen seiner Aufsässigkeit. Vielleicht war es auch schon zu spät.
    – Ich weiß, es ist schwer für Scholmerbach, sagte Fredo. Und dou bist ein frommer Mensch. Aber dou seys mir ein Dorn im Auge. Dou hintertreibs die Sach. Man kann dir net traue. Klemens … dou musst fort.
    – Mir machen doch … landeswichtige … Produktion!
    – Ach was. Das bisjen Bäume sägen, geh haam, pack dein Zeuch.
    – Wo soll ich dann hin?!?
    – Ich schick dir’n Befehl.
    – Wohin dann???
    – Dou kannst dir schon mal ein Brikett unter den Arm klemmen. Dann geht’s nach Hadamar.
    – Mach doch ka Sache …
    – Mach dich ab. Dou kriegs Bescheid.
    Da wurde es meinem Großvater anders, und er ging nach Hause und setzte sich in den Stall zum Vieh. Klemm dir ein Brikett unter den Arm und fahr nach Hadamar, immer dieses Geschwätz. Es fuhren viele graue Busse nach Hadamar, und es hieß, dass dort immer der Schornstein raucht und immer neue Leute gebracht werden, aber es kam keiner je wieder raus. Aber das war nur so ein Hörensagen. Vielleicht war Kurt dort? Es wusste ja keiner so recht, wo sie Kurt hingebracht hatten. Nur weil er Radio gehört hatte, konnten sie ihn doch nicht gleich umbringen.
    Aber mein Großvater kam nicht nach

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