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Apple - Die Geburt eines Kults

Apple - Die Geburt eines Kults

Titel: Apple - Die Geburt eines Kults Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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künftiger Erträge gegen den spürbaren Machtverlust ab. Er war stark genug, zuzugeben, dass er nicht alles wusste, und kämpferisch genug, sich nicht von Männern übertölpeln zu lassen, die viel älter waren als er. Er war bereit, loszulassen, was er ein Jahr im Schweiße seines Angesichts aufgebaut hatte, aber dabei tröstete ihn auch die einfache Arithmetik: Da eine beliebige Zweierkombination aus Wozniak, Jobs und Markkula die Aktienmehrheit des Unternehmens kontrollierte, konnten sie Scott jederzeit absetzen. Es war ein seltsames Arrangement, und Scott, der zum Hüter des Geldes anderer Leute geworden war, war realistisch: „Ich fragte mich, ob ich wirklich etwas auf die Reihe kriegen würde oder ob wir uns die ganze Zeit streiten würden. Meine größte Sorge war die Frage, ob Jobs und ich miteinander auskommen würden. Er befürchtete, dass ich keine Verbrauchersachen machen würde. Und ich befürchtete, dass er keine Ahnung hatte.“ Da Scott offiziell der Boss war, bekam er im ersten Jahr 20.001 Dollar, also einen Dollar mehr als die Mitglieder des Triumvirats.

    Obwohl sie bis zu einem gewissen Grad alle Technikfreaks waren, hatten Jobs, Wozniak, Holt, Markkula und Scott so gut wie nichts gemeinsam. Sie unterschieden sich hinsichtlich des Alters, des Erscheinungsbilds, des Hintergrunds und ihrer Ambitionen. Sie fühlten sich jeweils zu verschiedenartigen Geliebten hingezogen und hatten unterschiedliche Einstellungen hinsichtlich Treue, Lust, Ästhetik, Religion, Geld und Politik. Zwei von ihnen spickten ihre Rede mit Obszönitäten, während andere beim Klang eines Schimpfworts schon fast rot wurden. Sie waren so verschieden, dass ein Biologe, dem man fünf Erbgutproben vorgelegt hätte, wahrscheinlich überrascht gewesen wäre zu erfahren, dass alle Spender männlich und zweibeinig waren.
    Da war zunächst einmal Jobs, der zwar gewiss das Geld mochte und die Macht genoss, aber mehr oder weniger nur auf Apple verfallen war, weil er nichts anderes zu tun hatte; Wozniak, dem der binäre Unterschied zwischen 1.000 und einer Million weitaus klarer war als der monetäre Unterschied, genoss es hauptsächlich, die Leistungsfähigkeit seiner Maschine zur Schau zu stellen; Holt, der im Leben noch keine 30.000 Dollar besessen hatte, wurde von der Aussicht verlockt, in fünf Jahren eine Viertelmillion Dollar zu verdienen; Markkula konnte weder sein Interesse an dem Computer noch seinen Wunsch verhehlen, sein persönliches Portfolio aufzubessern; und Scott wollte mehr als alles andere Präsident eines Unternehmens sein, das nach den Sternen greifen würde.
    „Für China wäre der fantastisch.“
    – PAOLA GHIRINGELLI
    Ein Apple II, ein Apple III, ein Lisa und ein Macintosh standen in Schlachtordnung auf mehreren Stahltischen. Zwei Marketingmanager von Mac, Michael Murray und Michael Boich, saßen vor den Computern und gaben einer Präsentation den letzten Schliff, die sie dem belgischen Künstler Jean-Michel Folon vorführen wollten. Ein paar Monate davor hatte die Brücke, die Folons Werk zwischen Romantik und Surrealismus schlug, großen Eindruck auf Steve Jobs, in seiner Rolle als Apple-Ästhet, gemacht. Er hatte beschlossen, den europäischen Künstler mit dem kalifornischen Computer zu vereinen, und er wollte, dass die Apple-Werbung eine Weile Folons Bild vom Mac widerspiegeln sollte. Jobs hatte Kontakt mit Folon aufgenommen, einen seiner Auftritte in New York besucht und ihn nach Cupertino eingeladen. Für Jobs war die dreifache Kombination von Kunst, New York und Europa unwiderstehlich. Folon hatte seinerseits ein paar Ideenskizzen geschickt, die Jobs in einer Kommode in seinem Schlafzimmer aufbewahrte.
    Daher war es kein Zufall, dass Murray und Boich sich in einer folonesken Welt befanden. Die grauen Filzwände des Konferenzraums waren mit Modellen für Werbeplakate, Bedienungsanleitungen und Diskettenhüllen bestückt, die die Grafikabteilung von Apple anhand der Perspektiven, Schattierungen und wiederkehrenden Figuren von Folons Arbeiten zusammengestellt hatte. An einer Wand lehnte eine 1,50 m hohe, aus Karton ausgeschnittene Folon-Figur in melancholischer Haltung, mit Schlapphut und schiefem Mantel.
    Murray hatte beschlossen, Folon eine Tantieme von einem Dollar auf jeden verkauften Mac anzubieten. Angesichts der Tatsache, dass Apple hoffte, mehr als eine Million Macs pro Jahr zu verkaufen, war das ein lukrativer Vertrag. Als Boich mit dem Lisa spielte, verwandelte sich der Bildschirm auf einmal in ein

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