Apple - Die Geburt eines Kults
sie sich an, das jedes Jahr mit einem Essen zu feiern. Bei dem rituellen Essen 1977 fragte Markkula Scott, ob er daran interessiert wäre, Präsident von Apple zu werden.
Scott war ebenso wie Markkula im Grunde seines Herzens Ingenieur. Er war in Gainesville in Florida aufgewachsen und in seiner Jugend hatte er Nachmittage und Wochenenden damit verbracht, in der EDV-Abteilung einer Universität mit einer IBM 650 herumzuspielen – Ende der 1950er-Jahre war das der populärste Computer der Welt. Er zog das California Institute of Technology dem MIT vor, weil ihm Sonne lieber war als Schnee, und als Hauptfach wählte er Physik. Nach seinem weiterführenden Abschluss arbeitete er ein paar Jahre als Ingenieur in der Systems Division von Beckman Instruments in Südkalifornien. Das Unternehmen baute Bodeninstrumente für die Überwachung von Saturn-Raketen. Zufällig war Beckman eine regelmäßige Anlaufstelle für Fairchild-Vertreter, die unbedingt die Quoten und Ziele erfüllen wollten, die Don Valentine festgelegt hatte. Scott ging zu Fairchild (unter anderem ließ er sich dort durch das Versprechen hinlocken, dass er eine Belohnung von 100 Dollar bekommen würde, wenn er andere Kandidaten werben würde). Dort blieb er ein paar Jahre, war dann allerdings von den Unternehmensintrigen desillusioniert und wechselte zu National Semiconductor.
Mit 32 leitete Scott eine Fertigungsanlage für Chips, die analoge und digitale Elektronik kombinierten. Sie erzielte einen Jahresumsatz von 30 Millionen Dollar. Das war zwar nicht die glänzendste Position, die es bei National gab, aber als Direktor einer Fertigungsanlage war Scott einer der Eckpfeiler im Managementsystem des Unternehmens, und im Endeffekt leitete er ein Unternehmen, das 800 Menschen beschäftigte. Es ging ihm gut, er ertrug die Sitzungen mit dem Präsidenten des Unternehmens, der so fest auf den Tisch schlug, dass die Tassen hüpften, lehnte das Angebot ab, ein Werk im Fernen Osten zu leiten, und beschloss, dass er in Kalifornien bleiben wollte. Bei dem Essen mit Markkula sagte Scott: „Ich langweile mich. Seit vier Jahren mache ich den gleichen Job.“ Die Gründung eines Unternehmens sah er wie ein Ingenieur: „Das ist wie ein Schachspiel, nur dass die Züge ständig von allein geschehen. Die Herausforderung besteht darin, ein komplettes System zusammenzustellen, das funktioniert, ohne überwacht zu werden, und das seine eigenen Ausgleichsmechanismen besitzt. Ich wollte sehen, ob ich ein solches System von Grund auf aufbauen konnte.“ Scott war rundlich und ballte beim Gehen die Fäuste. Er trug eine Brille, hatte kurzes Haar, das er gern um seine Finger wickelte, trug gewöhnlich T-Shirts, die sich über seinem Gürtel beulten, und an guten Tagen sah er aus wie der gutwillige Besitzer eines Autoschrottplatzes. Er sah mehr als nur ein kleines bisschen so aus, als wäre er glücklich gewesen, eine automatische Fabrik von einem Stuhl hinter einem Computerterminal aus zu leiten, mit einer Dose Budweiser neben sich, während im Hintergrund der Walkürenritt donnerte.
Markkula, der diplomatisch war und anderen nur ungern etwas aufdrängte, bat Jobs und Wozniak, Scott als möglichen Präsidenten für Apple in Betracht zu ziehen. Wozniak, der sich auf keinen Fall mit irgendwelchen Fronarbeiten belasten wollte, war von Scott beeindruckt, und seine offensichtliche Computer-Verliebtheit schmeichelte ihm. „Es war sehr gut zu wissen, dass außer Steve noch jemand da sein würde, der die Produktion managt.“ Jobs wusste allerdings nicht so recht, was er von diesem Mann halten sollte, der sich anscheinend nicht um östliche Philosophie scherte und der lieber Pizza als Salat aß. Mit Holt und Wozniak kaute er in einem Bob’s Big Boy das Thema Scott stundenlang durch. Holt erinnert sich: „Jobs war sich nicht sicher, ob er die Show schmeißen wollte oder nicht. Er vertraute nicht sehr darauf, dass Woz großen Geschäftssinn besaß und mit ihm sprechen und ihm helfen würde, wenn es hart auf hart kam, um das Unternehmen auf Kurs zu halten. Er befand sich in der ungewissen Position, dass er nicht recht wusste, wie viel Macht er aufgab.“ Für den Fall, dass sich Scott als untauglich erwies, wollte Jobs außerdem die Möglichkeit haben, seinen Aktienanteil zurückzukaufen. Markkula ließ erneut seine Überzeugungskraft spielen und erklärte Jobs, es gehe hier nicht um Macht, sondern darum, ob Apple besser gemanagt werden würde.
Jobs hörte zu. Er wägte die Verheißung
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