Applebys Arche
erwiderten den Trinkspruch im
Chor. Und nun war es an den finsteren Gestalten vor ihnen, perplex dazustehen,
gebannt von der Unverständlichkeit dieses Rituals. Sekundenlang stand alles
still wie ein Tableau. Dann stießen die nackten Gestalten laute Rufe aus,
machten kehrt, stoben davon. Und in dem Dunkel, in das sie flohen, wurde ihre
Feigheit zur Panik. Schreie, das Krachen des Gehölzes erfüllten in raschem
Diminuendo die Luft. Die Stille, die folgte, war so vollkommen, daß von den
Zurückgebliebenen jeder den anderen schlucken hörte. Nur der Speer, der noch
immer kokelnd im Holz des Tisches steckte, war der Beweis, daß sie den ganzen
Vorfall nicht nur geträumt hatten.
Appleby beugte sich vor und faßte die Waffe, als ob er sie erst in
der Hand halten müßte, bevor er von ihrer Echtheit überzeugt war. Der Schaft
war aus Bambus, die Spitze anscheinend aus Bein, dahinter steckten die verkohlten
Überreste von etwas wie Werg. Es war kaum zu glauben, daß einem so etwas noch
außerhalb eines Museums begegnete. Appleby befühlte den Speer, wog ihn in der
Hand, schnüffelte sogar daran wie ein Hund. Dann reichte er ihn Glover.
»Beute«, sagte er; »der Grundstock für unser Arsenal. Ihr Ressort, Sir.«
Glover, der weiter den Busch im Auge behalten hatte, wandte sich der
Waffe zu. Er brummte, das Interesse des Fachmanns erregt. »Potthäßlich, das
Ding. Geht leicht rein, aber schwer wieder raus. Ich weiß noch, wie seinerzeit
an der Nordwestgrenze …«
Appleby hörte nicht hin. Aber er achtete auch nicht auf die nach wie
vor gefährliche Welt ringsum; und Diana sah er so geistesabwesend an wie ein
überforderter Tourist im Louvre, der an die nächste Göttin gelangt. Glover
behielt seine Erinnerungen für sich, und statt dessen ergriff Hoppo das Wort.
»Ein Baum«, schlug er vor. »Könnten wir nicht auf einen Baum klettern?«
Glover, der abschätzig den Speer balancierte, schnaubte. »Einen
Baum? Schlimm genug, daß wir leben wie die Wilden; da müssen wir nicht auch noch
zu den Affen absteigen. Wir bleiben bis morgen früh hier beim Feuer, dann
greifen wir die Burschen an, damit sie sehen, daß wir keine Angst vor ihnen
haben. Sie haben ja gerade erlebt, wie gut das geht. Von einem Tiger läßt man
sich auf einen Baum jagen, Sir, das ist keine Schande – aber nicht von Wilden.«
»Ich finde nicht, daß mein Vorschlag unvernünftig war«, beharrte
Hoppo. »Neulich war von dem Schweizerischen Robinson und seiner Familie die
Rede, und die haben schließlich auch auf einem Baum gewohnt, wo sie besser
geschützt vor den Wilden waren. Und was die Affen angeht …«
»Hoppo hopp.« Diana, begeistert, daß sie
auf eine neue Variante ihres liebsten Scherzes gekommen war, lachte, daß es
tief in die Nacht schallte.
»Ich muß schon sagen, Mrs. Kittery, Sie haben einen sprunghaften
Verstand. In der Schweizer Familie Robinson gab es sehr vernünftige Leute …«
»Sir«, fuhr ihm Glover mit einer Vehemenz ins Wort, die keinen
Widerspruch duldete, »die Schweizer Familie Robinson, das waren Schweizer .«
»Kein König, auf den sie trinken konnten«, sagte Diana. »Die
Schweizer sind ja nur ein – ein …«
»Eine Eidgenossenschaft aus selbständigen Kantonen«, ergänzte
Appleby. »Aber jetzt Ruhe bitte.«
Sie horchten. Und wieder ging im Dschungel etwas vor. Zögernd,
verstohlen, regte sich etwas am Rande der Lichtung. Dann bewegte sich nichts
mehr, nur eine Stimme rief – die Stimme von Miss Curricle. »Mrs. Kittery«, rief
sie, »Mrs. Kittery, würden Sie bitte herkommen?« Der Ton hob sich. »Und nur Mrs. Kittery, darauf muß ich bestehen.«
Es war wie eine Stimme aus ferner Zeit – wie aus dem Kochtopf. Hoppo
vermutete offenbar sogar böse Geister, denn er sprang erregt auf. »Womöglich …«
Er behielt es für sich. »Es könnte eine Falle sein.«
»Unsinn.« Auch Glover erhob sich. »Miss Curricle …«
»Kommen Sie nicht näher, Sir.« Miss Curricles Stimme, auch wenn sie aus
undurchdringlicher Finsternis kam, wurde noch eine Spur schriller. »Mir ist ein
äußerst peinliches Mißgeschick zugestoßen. Mrs. Kittery, bitte, ich muß darauf
bestehen.«
Diana hantierte am Feuer. »Sind es Ihre Kleider, Miss Curricle?«
rief sie gehässig. »Wir haben sie hier.«
» Sie haben sie!« Die Stimme war zutiefst
empört.
»Allerdings weiß ich nicht, wo sie im Augenblick sind. Ich glaube,
Mr. Hoppo hat sie …«
»Mr. Hoppo, das ist eine Impertinenz! Wie können Sie es
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