Aprilgewitter
Überfall durch einen Straßenräuber hier in Berlin traue ich dieser Waffe mehr zu als Ihrem schweren Revolver«, erklärte er dem Major.
Von Palkow steckte seine Waffe wieder weg. »Darf ich mir Ihre Pistole mal näher ansehen, Trettin?«
Als Fridolin sie ihm gab, betrachtete er sie und reichte sie dann mit einem verächtlichen Lachen zurück. »Was wollen Sie mit diesem Spielzeug? Da können Sie Ihrem Gegner genauso gut einen Kirschkern ins Gesicht spucken. Ein Offizier braucht etwas Richtiges in der Hand.«
»Ich habe mit dieser Waffe bereits auf Banditen geschossen und getroffen«, sagte Fridolin, während in ihm noch einmal jene Szene an Bord der
Strathclyde
aufstieg, in der er, um Lore zu retten, beide Läufe seiner Pistole abgefeuert und zwei Männer getötet hatte. Selbst nach all den Jahren bereitete ihm das noch Alpträume.
Von Palkow nahm ihn nicht ernst, sondern verließ mit einem abfälligen Laut den Saal.
Nachdem der Major gegangen war, blieben neben Rendlinger nur Grünfelder, Fridolin und Dohnke zurück. Der Gastgeber befahl seinen Dienern, jedem noch einen Cognac zu reichen, und blickte dann die anderen erwartungsvoll an. »Und, wie wollen wir den Abend ausklingen lassen?«
Fridolin sah ihm an der Nasenspitze an, dass er an einen Besuch im
Le Plaisir
dachte. Er selbst hatte wenig Lust dazu, denn er wollte weder mit einem der Mädchen aufs Separee, noch lag ihm an diesem Tag daran, bei Hede im Büro zu sitzen und mit ihr zu reden. Auch Emil Dohnke wollte den Sündentempel lieber nicht aufsuchen. Daher bat er Grünfelder höflich um Entschuldigung und ließ sich von einem Diener hinausbegleiten. Fridolin nutzte den Abschiedsgruß des Angestellten und schloss sich ihm an.
Rendlinger blickte kopfschüttelnd hinter den beiden her und drehte sich dann zu Grünfelder um. »Die heutige Jugend ist nicht mehr das, was wir einmal gewesen sind. Hätte ich damals genug Geld besessen, wäre ich auf jeden Fall mit zu Hedes Palast gegangen. Doch lassen wir diese Duckmäuser laufen. Wir beide werden uns auch ohne sie im
Le Plaisir
amüsieren!«
»Das werden wir gewiss«, antwortete August Grünfelder, obwohl er dieses Etablissement sehr viel lieber in Fridolins Begleitung betrat als mit Rendlinger.
XVI.
T rotz seiner zur Schau gestellten Zuversicht hatte Major von Palkow Angst, denn er trug mehr Geld bei sich, als er je auf einmal besessen hatte. Es war genug, um einem der Hinterhofganoven, von denen es in Berlin wimmelte, die Chance zu bieten, mit dem nächsten Schnelldampfer in die Neue Welt zu fahren und sich dort Farmland von der Größe eines Fürstentums zu kaufen.
Nur die Tatsache, dass sowohl Fürst Tirassow wie auch der Franzose Delaroux ihm eine weitaus höhere Belohnung versprochen hatten, hinderte von Palkow daran, auf der Stelle aufzubrechen und in die Neue Welt zu reisen. Beim Aussteigen aus der Droschke sah er sich sorgfältig um. Zwar war die Straße vor der Kadettenschule beinahe menschenleer, dennoch war er froh, als er den Posten am Tor passiert hatte.
In seinen Privaträumen aber erwartete ihn eine böse Überraschung. Fjodor Michailowitsch Tirassow stand neben dem gusseisernen Ofen und blätterte im Schein einer Petroleumlampe in einem der Bücher über Militärwissenschaft, die auf von Palkows Bord standen.
»Guten Abend, Herr General«, grüßte von Palkow und drehte in Gedanken seinem Burschen, der den Besucher eingelassen hatte, das Genick um. Der russische Fürst kam ihm wahrlich alles andere als gelegen. Delaroux’ Warnung folgend hatte er Tirassows Gesellschaft in letzter Zeit gemieden, obwohl er immer noch unsicher war, ob er sich ganz auf die versprochene Belohnung des Franzosen verlassen oder doch auf das Angebot des Russen eingehen sollte. Immerhin war er von ganzem Herzen Militär, und es kam seinen Vorstellungen weitaus näher, als General des Zaren zu gelten denn als amerikanischer Zivilist.
Tirassow betrachtete den Major mit einem durchdringenden Blick. »Ich habe Sie in letzter Zeit vermisst, mein Freund«, sagte er mit einem schwer zu entziffernden Unterton in der Stimme.
»Ich hatte sehr viel zu erledigen. Daher bin ich nicht dazu gekommen, Sie aufzusuchen.«
Über das Gesicht des Fürsten huschte ein verdrießlicher Ausdruck. »Ich weiß sehr wohl, dass Sie beschäftigt waren und bei einer Werft ein Dampfschiff bestellt haben. Ich wäre sogar mit Ihnen zufrieden, hätten Sie dies in enger Absprache mit mir getan. Aber Sie haben auf eigene Faust gehandelt –
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