Aprilgewitter
war.
VI.
L ore hatte ihre Freunde um sich gesammelt, um mit ihnen zu beraten, was sie für Fridolin tun konnten. Doch weder ihr noch den anderen fiel etwas Sinnvolles ein. Nathalias Vorschlag, nachts in die Justizanstalt einzudringen und Fridolin heimlich zu befreien, ließ sich ebenso wenig durchführen wie die ebenfalls von Nathalia erwogene Entführung einer wichtigen Person, um Fridolin freizupressen.
Zwar setzte Gregor Hilgemann mehrfach zum Reden an, brach aber jedes Mal nach wenigen Worten ab, während Caroline von Trepkow erklärte, dass ihrer Meinung nach nur ihr Bruder für diese Schandtat in Frage käme. Es entspräche seinem Charakter, einen Mord zu begehen und ihn Fridolin in die Schuhe zu schieben.
Ehe jemand etwas auf diese Anklage erwidern konnte, meldete Jean den Besucher. Lore warf einen Blick auf die Karte und sah die anderen fragend an. »Herr Dohnke war Fridolins engster Mitarbeiter. Was meint ihr, soll ich mich besser mit Unwohlsein entschuldigen lassen oder ihn doch empfangen?«
»Vielleicht weiß er etwas, was uns weiterhilft«, warf Konrad ein. Da auch Mary nickte, forderte Lore den Diener auf, den Besucher hereinzuführen.
Emil Dohnke wunderte sich zunächst über die Tischgesellschaft, die sich hier versammelt hatte, begriff dann aber, dass Trettins Freunde erschienen waren, um dessen Frau beizustehen. Nun kam er sich allzu aufdringlich vor.
Artig verbeugte er sich vor Lore. »Sehr verehrte Frau von Trettin, ich bedauere die Umstände, deretwegen ich heute in Ihr Haus komme. Doch ich habe die schlimme Nachricht eben erst erfahren und wollte nicht versäumen, Ihnen mein volles Mitgefühl zu übermitteln und Ihnen jede Hilfe anzubieten, die zu leisten ich imstande bin.«
Lore musterte den jungen Mann, der ihr bei den wenigen Begegnungen arg steif vorgekommen war, und nahm echte Besorgnis in seinen Augen wahr. »Ich danke Ihnen von Herzen, Herr Dohnke! In meiner Situation kann ich nicht genug Freunde haben. Mein Mann hat immer in den wärmsten Worten von Ihnen gesprochen, und ich freue mich, dass er sich nicht geirrt hat.«
»Sie sind sehr freundlich zu mir, gnädige Frau, ebenso wie Ihr verehrter Gatte es gewesen ist. Er ist ein ehrenhafter Mann und zu einer solchen Tat niemals fähig.«
»Damit haben Sie recht, Herr Dohnke. Der Mörder war gewiss mein Bruder. Er hat bereits unsere Mutter auf dem Gewissen und geht über Leichen, um sein Ziel zu erreichen!« Carolines herbe Anklage verwirrte Emil, der nicht einmal wusste, wen er vor sich hatte.
Lore stellte sie einander vor. »Fräulein Caroline von Trepkow, die Schwester des Leutnants von Trepkow, Herr Emil Dohnke, Angestellter des Bankhauses Grünfelder!«
»Seit heute Vizedirektor der Bank, aber diesen Posten gebe ich gerne wieder auf, wenn Herr von Trettin zurückkommt!« Emil wollte von Anfang an mit offenen Karten spielen. Wenn er Grünfelders Entscheidung verschwieg und Frau von Trettin diese von anderer Seite erfuhr, würde er jedes Vertrauen verspielt haben.
»Nehmen Sie doch bitte Platz. Jean, bringen Sie ein Glas Wein für Herrn Dohnke. Haben Sie bereits zu Abend gegessen?«
Emil hob abwehrend die Hand. »Ich komme gerade aus Grünfelders Haus. Der Bankier hatte mich zum Abendessen eingeladen. Die Atmosphäre dort würde ich allerdings unterkühlt nennen.«
Er schüttelte sich und fragte dann, ob es bereits Neues über Fridolin zu berichten gäbe.
Lore verneinte. »Leider nicht. Ich darf ihn nicht einmal besuchen, bevor ihm der Prozess gemacht wird.«
Gregor Hilgemann meldete sich zu Wort. »Wie es aussieht, wollen die Behörden den Fall rasch und möglichst unter Ausschaltung der Öffentlichkeit über die Bühne bringen, um einen Skandal zu vermeiden. Wahrscheinlich haben sich etliche Herren, die höhere Posten einnehmen, in jenem Bordell befunden, und die wollen natürlich nicht, dass ihre Namen im Zusammenhang mit dem Verbrechen durch die Gazetten gezerrt werden. Da mit Herrn von Trettin ein Beschuldigter zur Verfügung steht, kann die Angelegenheit stillschweigend erledigt werden. Dass dabei die Gerechtigkeit außen vor bleibt, interessiert diese Leute nicht!« Der Student, der selbst das Opfer preußischer Polizeipolitik geworden war, machte keinen Hehl daraus, was er von der Gerichtsbarkeit in diesem Land hielt. In seinen Augen war Fridolin von Trettin bereits verurteilt.
Auch Lore spürte diese Angst, suchte aber zusammen mit den Anwesenden weiter nach Ideen, wie sie Fridolins Unschuld beweisen konnten.
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