Aprilgewitter
Schließlich seufzte sie. »Ich bin nicht einmal in der Lage, meinem Mann einen guten Rechtsanwalt zu besorgen. Zwei Herren, die ich heute Nachmittag darum bat, haben nach kurzer Nachfrage bei Gericht abgelehnt. Der Fall wäre ihnen zu eindeutig.«
»Oder zu heiß! Immerhin handelt es sich bei Fürst Tirassow um einen Diplomaten in russischen Diensten, und man will den Zaren nicht dadurch reizen, indem man dem angeblichen Mörder zu viel Unterstützung zukommen lässt.« Gregor Hilgemann lachte bitter auf, entschuldigte sich dann aber sofort dafür. »Es tut mir leid, ich …«
»Es gibt nur einen Weg, um Herrn von Trettin zu retten. Wir müssten meinen Bruder zwingen, seine Tat zu gestehen!« Carolines Stimme bebte vor Hass. Die anderen begriffen, dass sie ihn sogar foltern lassen würde, um ein Geständnis aus ihm herauszuholen. Nur war es leider unmöglich, Leutnant von Trepkow aus seiner Kaserne zu entführen und einem hochnotpeinlichen Verhör zu unterziehen.
Daher wartete Lore, bis Caroline sich wieder beruhigt hatte, und versuchte, ihre Niedergeschlagenheit zu überspielen. »Wir werden sehr viel Glück und einen gnädigen Zufall brauchen, um etwas bewirken zu können. Bis dahin bleibt uns nur zu beten, dass etwas zu Fridolins Gunsten geschieht.«
VII.
A ls von Palkow sein Liebesnest betrat, erwartete er, Delaroux anzutreffen. Doch der Franzose schien bereits da gewesen und wieder gegangen zu sein, denn auf dem Tisch lag ein großes, mit Packpapier umwickeltes Paket. Als der Major es öffnete, fand er darin zwei Flaschen besten Burgunderweins, zwei Flaschen Champagner, zwei Kisten mit erlesenen Zigarren sowie Käse, Würste und Schinken, alles von einer Qualität, die er sich allenfalls an hohen Feiertagen und niemals in dieser Fülle leisten konnte. Ganz zuunterst lag ein in Ölpapier geschlagenes Päckchen, das ein dickes Bündel Bargeld und einen Bericht über den Fortgang der Bauarbeiten an der Dampfyacht enthielt. Der Major nahm das Geld in die Hand und atmete erst einmal durch. Eine solch große Summe stellte eine Verlockung dar, umgehend aus Berlin zu verschwinden und den Weg nach Amerika anzutreten. Doch er widerstand, denn er wollte als reicher Mann drüben ankommen und nicht im hintersten Westen als Farmer anfangen müssen.
Daher zählte er das Geld und legte sich mehrere Stapel zurecht. Mit zwei davon sollten von Trepkow und von Campe ihren Anteil an der Dampfyacht bezahlen. Ein dritter Stapel enthielt seinen Anteil, den er selbst kaum zusammengebracht hätte, und der vierte die Summe, die für Elsie bestimmt war. Die Hure würde davon die Überfahrt zahlen und konnte in den USA einen Laden oder, wie von Palkow eher annahm, ein Bordell aufmachen.
Bei dem Gedanken verspürte er Unbehagen. Im Grunde wollte er gar nicht, dass Elsie drüben auf eigenen Beinen stehen konnte. Stattdessen sollte sie Malwines Platz als seine Geliebte einnehmen. Dieses kleine, miese Weibsstück war die einzige Frau, bei der er im Bett endlich all die Dinge ausleben konnte, die seine Phantasie ihm vorgaukelte.
»Narr, was willst du denn mit dieser verkommenen Hure?«, sagte er zu seinem Spiegelbild. »Die kannst du doch nicht heiraten!« Vergebens versuchte er, sich zur Ordnung zu rufen. Seine Sehnsucht nach dieser Frau und die Leidenschaft, mit der er für sie entflammt war, überwältigten ihn beinahe. Elsie nahm in seinem Kopf bereits mehr Raum ein als Malwine, und dafür war er ihr sogar dankbar. Nun erschreckte ihn der Gedanke nicht mehr, die alternde Gutsbesitzerwitwe in Deutschland zurücklassen zu müssen. Im Grunde wollte er nichts mehr mit ihr zu tun haben und empfing sie nur noch, um sie nicht gegen sich aufzubringen. Wozu dieses Weib in der Lage war, hatte er bei ihrem hasserfüllten Feldzug gegen ihre Verwandten miterlebt.
Am Vortag hatte von Palkow versucht, sie beim Liebesspiel etwas heftiger zu nehmen, wie er es bei Elsie ungehemmt tun konnte. Daraufhin hatte sie ihn wie einen kleinen Jungen zusammengestaucht und ihn gezwungen, sich ihren Launen zu beugen. Nun schämte er sich dafür, dass er erneut still unter ihr liegen und ihr den männlichen Part überlassen hatte müssen. Für einige Augenblicke erwog er, sie kurz vor seiner Flucht aus Preußen an einen abgelegenen Ort zu locken und sie dort so zu behandeln, wie sie es seiner Meinung nach verdiente.
Bei der Überlegung zuckte er zusammen. Einen solchen Ort gab es sogar. Von Trepkow hatte ihm erzählt, dass ihm nach der Zwangsversteigerung des
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