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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorentz Iny
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sofort in das Arbeitszimmer des mächtigsten Mannes im Reich geführt.
    Der Reichskanzler saß mit düsterer Miene auf seinem Sessel, zupfte an seinem Schnauzbart und schien den Staatsanwalt, der von einem Vorzimmerbeamten angekündigt wurde, zunächst gar nicht wahrzunehmen. Erst nach geraumer Zeit richtete er seinen Blick auf von Bucher. »Sie haben Trepkow verhaftet?«
    Der Staatsanwalt nickte. »Ja, aber ich weiß nicht, ob wir den Herrn nicht besser wieder umgehend auf freien Fuß setzen und uns für die Unannehmlichkeiten, die wir ihm bereitet haben, um Entschuldigung bitten sollten.«
    »Papperlapapp! Ein deutscher Beamter entschuldigt sich nicht. Er macht keine Fehler, verstanden!«
    Von Bucher nickte unglücklich. »Ich werde …«
    »Gar nichts werden Sie – außer mir gehorchen!«, fuhr Bismarck ihm über den Mund. »Das, was ich Ihnen jetzt sage, ist streng geheim. Sie werden es in dem Augenblick vergessen, in dem Sie diese Tür dort durchschreiten!«
    »Jawohl, Euer Exzellenz!« Von Bucher fragte sich, was den Reichskanzler so verärgert haben mochte. Dieser war so schlechter Laune, als hätten Russland und Frankreich dem Reich gleichzeitig den Krieg erklärt.
    Bismarck zerbrach einen Bleistift mit einem scharfen Ruck und warf die Bruchstücke auf den Schreibtisch. Dann atmete er tief durch, las die Bleistiftreste auf und ließ sie in den Papierkorb fallen.
    »Um es offen zu sagen: Diese Angelegenheit ist eine riesige Schweinerei, und wir müssen zusehen, wie wir heil aus ihr herauskommen, ohne das Gesicht zu verlieren. Tun wir das nämlich nicht, sitzen wir in des Teufels Bratpfanne!« Bismarck verstummte kurz und überlegte, wie viel er dem Staatsanwalt mitteilen sollte.
    »Bezüglich des Doppelmords im Bordell werden Sie folgendermaßen verfahren: Offiziell handelt es sich um eine interne Auseinandersetzung zwischen zwei Huren. Dabei hat zu unserem größten Bedauern auch Fürst Tirassow sein Leben lassen müssen.«
    »Dann muss ich Oberst von Palkow umgehend freilassen«, rief von Bucher aus.
    »Palkow geht Sie nichts mehr an, ebenso wenig Trepkow. Die beiden bleiben unter Verschluss, bis sich die Aufregung ein wenig gelegt hat. Dann wird über sie entschieden. Damit Sie sich nicht zu sehr den Kopf darüber zerbrechen, werde ich Ihnen so viel mitteilen: Palkow ist ein Verräter und hat mit einem französischen Agenten zusammengearbeitet, um Tirassow auszuschalten. Dieser war um ein enges Verhältnis zwischen Russland und dem Reich bemüht und stand daher dem Franzosen im Weg. Bei diesem handelt es sich um einen Mann, der unter dem Decknamen Delaroux aufgetreten ist. Unsere Gendarmerie ist ihm auf der Spur und wird ihn gewiss bald festnehmen.
    Palkow hat die Hure Elsa Röttgers dafür bezahlt, Tirassow zu erschießen und die Schuld Trettin in die Schuhe zu schieben. Sie können Trettin daher freilassen. Zu entschuldigen brauchen Sie sich aber nicht bei ihm. Wieso musste er sich in einem Bordell aufhalten?« Zum ersten Mal erschien ein leichtes Grinsen auf Bismarcks Lippen. In seiner Jugend hatte er so manche intime Stunde in Gesellschaft käuflicher Damen verbracht. Doch das, fand er, ging weder den Staatsanwalt noch sonst jemand etwas an.
    »Ich werde Herrn von Trettin umgehend in Freiheit setzen!« Von Bucher war erleichtert, dass er wenigstens in diesem Fall eine klare Anweisung erhalten hatte.
    Bismarck nickte und entließ den Staatsanwalt. Als der das Zimmer verlassen hatte, dachte der Reichskanzler darüber nach, wie er die übrigen Fäden, die jetzt lose im Raum hingen, wieder verknüpfen konnte. Seine Gedanken galten insbesondere dem Neubau jener Dampfyacht, die für Prinz Wilhelm bestimmt war – in seinen Augen eine Narretei, auch wenn dem Prinzen das Schiffchen sicher gefallen würde. Hätte Major von Palkow nicht den Fehler begangen, der mörderischen Hure zu erlauben, sich auch an einem zweiten käuflichen Weib zu rächen, würde Fridolin von Trettin weiterhin als Tirassows Mörder gelten und Delaroux’ verbrecherischer Plan wäre mit von Palkows Hilfe aufgegangen.
    Kopfschüttelnd nahm der Reichskanzler noch einmal den Bericht des Gendarmenkommandos zur Hand, das die Werft, auf der diese Dampfyacht gebaut wurde, sorgfältig untersucht hatte. Einer der dortigen Arbeiter hatte sich verdächtig benommen und fliehen wollen, war aber von den Beamten gefasst und überwältigt worden. Einem scharfen Verhör unterworfen, hatte er schließlich gestanden, eine Bombe an Bord der Dampfyacht

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