Aprilgewitter
Augenblick war er empört, dann senkte er betroffen den Kopf. »Sie ist wohl sehr böse auf mich, was?«
»Nein, nur schwer enttäuscht. Sie hätte erwartet, dass du ehrlicher zu ihr bist. Doch wie es aussieht, hat Berlin dir nicht gutgetan. Dir geht es hier nur noch um Ansehen und Geld. Wie es um Lore steht, ist dir gleichgültig geworden!«
»Das ist nicht wahr!«, fuhr Fridolin auf.
»Wieso musste sie dann von fremden Leuten erfahren, dass du dich von ihr scheiden lassen willst, um Wilhelmine Grünfelder zu heiraten?« Konrad beherrschte sich mühsam, um nicht laut zu werden, da er den vorbeikommenden Passanten kein Schauspiel bieten wollte.
»Bist du betrunken, dass du solchen Unsinn redest?«, fragte Fridolin und vergaß dabei ganz, dass er selbst nicht mehr ganz nüchtern war.
Konrad fasste ihn am Arm und zog ihn ins Haus. Dabei machte er ein so grimmiges Gesicht, als hätte er eben einen Schwerverbrecher gefangen. Im Salon sah Fridolin sich Mary, Caroline und Gregor Hilgemann gegenüber. Letzterer betrachtete ihn neugierig, während die Mienen der beiden Frauen nichts als Verachtung zeigten.
»Jetzt sagt mir doch endlich, was los ist!«, begann Fridolin. »Wer behauptet diesen Unsinn, ich wolle Grünfelders Tochter heiraten?«
»Nun, das ist doch stadtbekannt. Sogar der Staatsanwalt hat Lore darauf angesprochen«, erklärte Mary mit eisiger Stimme.
»Das war auch das Motiv für den Mord, den du begangen haben solltest. Damit sollte für von Trepkow der Weg zu der kleinen Grünfelder freigemacht werden. Wäre Lore nicht gewesen, hätte dieser sein Ziel erreicht. Aber sie hat alles getan, um deine Unschuld zu beweisen, und die Intrige aufgedeckt, der du zum Opfer fallen solltest. Sie hat eine Nachtfahrt nach Hamburg auf sich genommen, um die wahre Mörderin zu fangen, die mit einem Dampfer nach Amerika entschwinden wollte. Sie war es außerdem, die Friedrich von Trepkow mit meinem Colt in der Hand gehindert hat, Wilhelmine Grünfelder zu entführen und mit ihr zusammen ins Ausland zu fliehen. Ohne Lore, mein Lieber, hätte das Gericht dich auf das Schafott geschickt!« Konrad sprach nicht gerade laut, doch jedes Wort stellte eine Anklage dar.
Fridolin schüttelte sich in dem Versuch, den Nebel zu zerreißen, in den der Alkohol seine Gedanken hüllte. »Verdammt noch mal, ich will Wilhelmine Grünfelder nicht heiraten!«, platzte er heraus.
»Warum hast du dich dann heute von ihr und ihren Eltern abholen lassen? Lore ist extra hingefahren und hat dich mit ihnen wegfahren sehen.« Obwohl Mary saß, hatte Fridolin das Gefühl, dass sie auf ihn herabsah wie auf einen ekligen Wurm.
»Grünfelder war auf einmal da, und ich war froh, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Außerdem glaubte ich, es wäre seinem Einwirken zu verdanken, dass meine Unschuld bewiesen wurde.« Noch während er es sagte, begriff Fridolin die Absicht, die der Bankier verfolgt hatte, und stieß einen Fluch aus. »Jetzt fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Er wollte die ganze Zeit, dass ich seine Tochter heirate. Deswegen hat seine Frau Lore geschnitten. Aber ich will es nicht, versteht ihr, und ich wollte es auch nie. Ich liebe Lore und niemanden sonst!« Fridolin stand für einige Augenblicke da wie das leibhaftige Elend, raffte sich dann aber auf und rief nach Jean.
»Was willst du jetzt tun?«, fragte Konrad.
»Ich reise nach Bremen, um mich mit Lore auszusprechen. Sie muss wissen, dass ich gar nicht daran denke, mich von ihr scheiden zu lassen.« Fridolin wollte auf sein Zimmer gehen, um sich für die Reise zu rüsten, da hielt Konrad ihn auf.
»Das solltest du lieber nicht tun. Lore hat ihre ganze Nervenkraft dabei verbraucht, deine Unschuld zu beweisen. In dem Zustand, in dem sie jetzt ist, würde sie dich nicht einmal anhören. Lass ihr Zeit, sich zu beruhigen und wieder zu sich zu finden. Jetzt würdest du nur alles zerstören.«
»Aber ich kann nicht …«, rief Fridolin aus.
»Du wirst es können müssen! Außerdem hast du noch etwas vergessen: Du bist immer noch Fähnrich bei den Zweiten Garde-Ulanen. Dein Kommandeur hat heute Nachricht geschickt, du sollst deinen Dienst morgen früh wieder antreten. Wenn du jetzt Lore ohne Urlaub folgst, giltst du als Deserteur, und das kannst du dir nach der ganzen Sache wirklich nicht erlauben.«
Das Militär hatte Fridolin völlig vergessen. Trotzdem drängte ihn alles, das Regiment Regiment sein zu lassen und Lore nachzureisen.
Konrad bemerkte sein Schwanken und wurde grob.
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