Aprilgewitter
Verzweiflung die Hände. »Man hat mich ohne Angabe von Gründen freigelassen. Dabei weiß ich weder, was wirklich passiert ist, noch, ob der wahre Mörder gefasst werden konnte.«
»Es muss wohl so sein, denn Herr von Bucher hat mir erklärt, dass Ihre Unschuld zweifelsfrei erwiesen sei. Darüber bin ich sehr froh, denn ich bilde mir doch etwas auf meine Menschenkenntnis ein. Ich hätte mich sehr gewundert, wenn ich mich ausgerechnet in Ihnen getäuscht hätte.«
Wie gewohnt betonte Grünfelder in erster Linie die Bedeutung seiner eigenen Person, doch anders als früher lächelte Fridolin nicht darüber. Er war viel zu glücklich, dem drohenden Schatten des Todes entronnen zu sein. Zudem glaubte er den Worten des Bankiers und maß diesem das wesentliche Verdienst an seiner Freilassung zu. Als der Wagen losfuhr, drehte er sich kurz um und warf einen letzten Blick auf das Gefängnis. In dem Augenblick bog eine Droschke um die Ecke, in der zwei Personen saßen, die Lore und Nathalia hätten sein können. Doch bevor er etwas sagen konnte, ließ Grünfelders Kutscher die Pferde antraben, und so blieben das Gefängnis und die Droschke hinter ihnen zurück.
Grünfelder und seine Damen verwickelten Fridolin in ein Gespräch, bei dem mindestens jeder dritte Satz darin gipfelte, wie sehr Wilhelmine sich seinetwegen gegrämt habe und wie froh sie sei, ihn jetzt in Freiheit zu wissen.
Nicht zuletzt deswegen war Fridolin froh, als sie Grünfelders Villa erreicht hatten. Doch als er erklärte, ungesäumt nach Hause fahren zu wollen, setzte Grünfelder eine beleidigte Miene auf. »Aber mein lieber Trettin! Sie müssen uns wenigstens erlauben, mit Ihnen auf diese glückliche Wendung des Schicksals anzustoßen. Sicherlich werden Sie nach Wasser und Brot im Gefängnis auch einem kleinen Imbiss nicht abgeneigt sein!«
Mit diesen Worten fasste der Bankier ihn am Arm und zog ihn mit sich.
»Es gab schon etwas mehr als Wasser und Brot«, antwortete Fridolin lächelnd und sah kurz auf seine Taschenuhr. Eine halbe Stunde würde er gewiss erübrigen können. Dann aber wollte er nach Hause zu Lore, die sicher vor Sorge um ihn verging.
X.
A ls Fridolin sich endlich von Grünfelder und dessen Damen loseisen konnte, dämmerte es bereits, und sein Kopf schwirrte von der Anzahl der Cognacs, die der Bankier ihm aufgenötigt hatte. Er ärgerte sich darüber, dass er so lange geblieben war, sagte sich aber, dass er Grünfelder, der sich als väterlicher Freund erwiesen hatte, nicht vor den Kopf hatte stoßen dürfen.
Der warme Abend lud dazu ein, gemütlich in einem Biergarten zu sitzen und dabei einem Leierkastenmann zuzuhören. Wenn am nächsten Tag das gleiche Wetter herrschte, wollte er mit Lore so einen Ausflug machen. Mary und Konrad würden sich gewiss für einen Abend Nathalias annehmen, denn er wollte endlich mit seiner Frau allein sein und mit ihr in Ruhe reden können. Es gab Dinge zu klären, bei denen er nicht gerade eine heldenhafte Figur gemacht hatte. Da war allein schon sein Aufenthalt im
Le Plaisir
, in dem man ihn verhaftet hatte. Lore musste dies tief kränken, und es würde ihm sicher nicht leichtfallen, sie davon zu überzeugen, dass er nicht der Mädchen wegen dorthin gegangen war, sondern um sich mit Hede zu unterhalten. Die zwei Mal, die er mit dieser im Bett gelandet war, würde er ihr allerdings verschweigen.
Noch während er darüber nachdachte, was er Lore sagen durfte und was nicht, erreichte der Wagen die Turmstraße, und der Kutscher hielt vor seinem Haus.
Fridolin reichte ihm ein gutes Trinkgeld und stieg aus. In dem Moment wurde die Haustür aufgerissen, und Konrad trat heraus. Sein Gesicht wirkte ernst, und er sah so aus, als habe er Tränen in den Augen. »Da bist du ja endlich!«
Das klang nicht gerade freundlich, fuhr es Fridolin durch den Kopf. Dabei hatte er gehofft, Konrad, der in seiner Zeit als Seemann auch kein Kind von Traurigkeit gewesen war, würde ihn verstehen.
»Guten Abend, Konrad. Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich freue, dich wiederzusehen. Wo ist Lore? Sie hat sich doch hoffentlich nicht in ihrem Zimmer eingesperrt.« Fridolin sah sich in Gedanken schon vor ihrer Tür stehen und verzweifelt auf sie einreden.
Konrad schüttelte den Kopf. »Nein, in ihrem Zimmer ist sie nicht. Um es offen zu sagen, sie ist heute Nachmittag mit Nati und Jutta zusammen nach Bremen aufgebrochen, um Thomas und Dorothea Simmern zu besuchen.«
Diese Nachricht traf Fridolin wie ein Schlag. Im ersten
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