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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorentz Iny
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leichthin. »Im Grunde war ich gar nicht schuld. Hätte sich diese dumme Pute von einem Freifräulein von der Goltz nicht so hysterisch angestellt, wäre überhaupt nichts passiert.«
    »Nati, ich warte!« Lores Stimme klang sanft, doch ihr Tonfall konnte weder Nathalia noch Jutta täuschen.
    Schließlich zuckte das Mädchen mit den Schultern. »Wie ich schon sagte, war die Goltz selbst schuld. Ich hatte ihr wegen einiger Bosheiten heimlich eine Bürste unter die Bettdecke gesteckt. Als sie mit den Füßen darauf gestoßen ist, hat sie wie am Spieß geschrien und ist im Hemd auf den Flur gelaufen. Unser Fräulein hat das mitbekommen und mich – ohne überhaupt nachzufragen, was geschehen ist! – beim Ohr gepackt, in den Keller geschleppt und eingesperrt.
    Dort habe ich am Morgen eine Ratte entdeckt und mit meinem Pantoffel darauf geschlagen. Ich konnte doch nichts dafür, dass sie nur betäubt und nicht tot war. Jedenfalls ist sie wieder aufgewacht, nachdem ich sie dem Fräulein während des Unterrichts unter den Rocksaum gesteckt habe. Zuerst ist die Ratte der Lehrerin unter dem Rock herumgekrabbelt und dann quer durch das Klassenzimmer gesaust. Die Goltz und ein paar andere sind ohnmächtig geworden. Der Hausdiener musste kommen und das arme Vieh jagen. Ich aber wurde umgehend der Schule verwiesen, weil die dumme Pute von der Goltz und zwei andere Schülerinnen mich verpetzt haben.«
    Nathalia klang so rechtschaffen empört, dass Lore sich das Lachen verkneifen musste. Gleichzeitig fragte sie sich, was sie mit der kleinen Sünderin anfangen sollte. Sie wegzuschicken und ihr zu sagen, sie solle nach Bremen fahren, wollte sie auf keinen Fall, und das nicht nur, weil ein Schneesturm heraufzog, wie einer der Dörfler Jutta eben erklärte.
    Lore schüttelte sich, als sie von dem drohenden Unwetter hörte, denn der Schnee türmte sich jetzt schon beängstigend hoch. So oder so würde sie Nati auch dann bei sich behalten, wenn es das schönste Reisewetter wäre. Vielleicht konnte sie dem verwöhnten Mädchen hier oben beibringen, dass es sich solche Eskapaden nicht mehr leisten durfte.
    »Ich bin enttäuscht von dir, Nathalia«, sagte sie daher. »Wie konntest du deiner Lehrerin nur eine Ratte unter den Rock schieben! Selbst wenn es sich um ein totes Tier gehandelt hätte, wäre dies ungehörig gewesen.«
    »Ich wollte ihr doch nur zeigen, dass es im Keller Ratten gibt und man kleine Mädchen dort nicht einsperren darf.«
    Lore konnte ihre Heiterkeit nur noch mit Mühe unterdrücken. »Wie es aussieht, habe ich als Erzieherin auf ganzer Linie versagt. Dabei hatte ich deinem Großvater versprochen, aus dir eine wohlerzogene junge Dame zu machen.«
    Sie schüttelte den Kopf und sah sich dann zu den beiden Dörflern um. Diese packten gerade mit Jutta zusammen all die Dinge aus, die sie hochgeschleppt hatten. Neben den Lebensmitteln gehörte dazu auch ein Bündel mit Nathalias Kleidern, ihrer Unterwäsche und den Schulbüchern.
    Bei diesem Anblick nickte Lore zufrieden. »Zum Glück warst du klug genug, deine Schulsachen mitzubringen. Jetzt werden wir dafür sorgen, dass du am Ende dieses Schuljahrs nicht weniger gelernt hast als deine Klassenkameradinnen. Sei aber versichert, dass kein Fräulein im Internat so streng mit dir umgehen würde, wie ich es tun werde!«
    Nathalia grinste über das ganze Gesicht. »Jawohl, Frau Gouvernante. Du weißt wenigstens, wovon du redest. Bei unserer Lehrerin bezweifle ich das. Daher werde ich bei dir auch etwas lernen. Eines aber sage ich ganz offen: In diese Schule kehre ich nicht zurück!«
    »Dann werden Dorothea und ich eine andere für dich finden«, erklärte Lore lächelnd, doch diese Drohung vermochte den kleinen Plagegeist nicht zu beeindrucken.
    Nathalia reichte den beiden Dörflern, die es längst aufgegeben hatten, sich über die seltsamen Deutschen zu wundern, die unbedingt in ihre Berge kommen wollten, mit großer Geste ein gutes Trinkgeld und forderte dann Jutta auf, ihr ein Schinkenbrot zu machen und eine Tasse Tee einzuschenken.

II.
    A ugust Grünfelder war betrunken. Er schwankte auf Fridolin zu und klammerte sich an ihm fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
    »Eigentlich müsste ich Ihnen fürchterlich böse sein, mein lieber Trettin, denn Sie haben mich und mein kleines Mädchen fürchterlich enttäuscht! Jawohl, das haben Sie!«, nuschelte der Bankier. »Andererseits aber sind Sie ein Mann mit eisernen Grundsätzen und ein wahrer Edelmann! Das ist in der

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