Aprilgewitter
Vorgesetzter noch nicht erschienen war, setzte Fridolin sich an seinen Schreibtisch und machte sich daran, einen Vertrag
zu entwerfen, der sowohl seinem wie auch Hedes Vorteil diente. Er war gerade damit fertig, als es klopfte.
»Herein!«, rief er.
Die Tür ging auf, und ein junger Mann im dunkelgrauen Anzug trat ein. »Guten Morgen, Herr von Trettin!«
»Guten Morgen, Herr Dohnke. Hatten Sie einen schönen Sonntag?«
»Den hatte ich. Ich hoffe, Sie auch.«
»Ich kann nicht klagen. Haben Sie inzwischen die Aufstellungen gemacht, um die ich Sie am Sonnabend gebeten habe?« Fridolin wechselte ansatzlos auf ein geschäftliches Thema über und sah zufrieden, wie sein Assistent eine Mappe auf den Schreibtisch legte und öffnete.
»Ich habe hier alle Ein- und Auszahlungen auf den Konten des Landrats von Stenik verglichen. Wenn Sie mich fragen: Ich würde dem Mann keinen weiteren Kredit einräumen!«
Fridolin überflog den Bericht und dachte kurz nach. Im Grunde hatte Dohnke recht. Andererseits aber besaß von Stenik großen Einfluss und nahm eine Stellung ein, in der er sich keinen Skandal leisten konnte. Daher setzte Fridolin den Satz: »Ich empfehle, dem Kreditwunsch zu willfahren!« und seine Unterschrift auf die Mappe.
Dann sah er lächelnd zu seinem Angestellten auf. »Ich glaube nicht, dass wir ein schlechtes Geschäft machen. Herr von Stenik benötigt den Kredit gewiss, um sich irgendwo einzukaufen, und wird uns die nötigen Sicherheiten überschreiben.«
»Da Sie es sagen, will ich es glauben, Herr von Trettin. Sie haben ein ausgezeichnetes Gespür für Geldanlagen. Das hat Herr Grünfelder auch schon gesagt.« In Dohnkes Stimme schwang Anerkennung mit, denn Fridolin hatte sich bei der Beurteilung der ihm zugeteilten Kunden noch nie geirrt. Allerdings war auch noch keiner so verschuldet gewesen wie von Stenik.
Auch Fridolin war nicht so sicher, wie er vorgab. Allerdings war ihm auch bewusst, dass eine Verweigerung des Kredits von Stenik zutiefst verärgern und zu unangenehmen Reaktionen verleiten würde. Dies sagte er auch eine halbe Stunde später zu Grünfelder, der mittlerweile im dunklen Anzug, weißem Hemd und einer blauen Halsbinde hinter seinem Schreibtisch thronte.
»Leider haben Sie recht, Herr von Trettin. Von Stenik ist zu einflussreich, um ihm den gewünschten Kredit verweigern zu können. Doch nun zu etwas anderem. Wir haben Sie gestern Mittag schmerzlich vermisst.«
Fridolin konnte sich nicht erinnern, eingeladen gewesen zu sein. Dies zu sagen verbot jedoch die Höflichkeit. Außerdem gab Grünfelder ihm damit die Möglichkeit, jenes Thema anzuschneiden, das ihm am meisten am Herzen lag.
»Ich habe gestern Mittag mit meiner Gattin gespeist. Da ich in der letzten Zeit sehr oft bei Ihnen zu Gast gewesen war, konnte ich sie am Sonntag nicht allein lassen.«
»Das verstehe ich!« Grünfelders Miene jedoch sprach eine andere Sprache. Tatsächlich war er ein wenig gekränkt, dass Fridolin die Ehefrau wichtiger zu sein schien als er.
Und noch war sein Vize nicht fertig: »Sie werden verstehen, dass ich auf meine Gattin Rücksicht nehmen muss. Es wäre leichter für mich, wenn sie mich begleiten könnte.« Deutlicher wagte Fridolin nicht zu werden.
Grünfelder hätte ihm am liebsten erklärt, dass er seine Frau selbstverständlich bei der nächsten Einladung mitbringen könne. Doch die Etikette erforderte es, dass seine Ehefrau Fridolins Gemahlin vorher wenigstens ein Mal in ihren eigenen Räumen zur Kaffeestunde empfing.
»Ich werde mich darum kümmern«, antwortete er ausweichend und kam dann wieder auf den Kredit für den Landrat von Stenik zu sprechen.
Mit dieser halben Zusage musste Fridolin sich vorerst zufriedengeben.
XIV.
I n den letzten Wochen hatte Grünfelder Fridolin regelmäßig zum Mittagessen eingeladen und hätte ihn auch an diesem Tag gern mitgenommen. Da er jedoch mit seiner Frau über Lore von Trettin sprechen wollte, bat er ihn unter einem Vorwand, in der Bank zu bleiben.
»Wenn Herr von Stenik die Gelegenheit nützt, kurz in der Bank zu erscheinen, sollte einer von uns beiden hier sein! Außerdem freue ich mich, wenn Sie uns zum Abendessen beehren.«
»Ich danke Ihnen, Herr Grünfelder.« Fridolin musste sich ein Lachen verkneifen, denn er begriff die Absicht seines Vorgesetzten. Wenn es half, Lore in den Kreis der Damen aufzunehmen, war ihm das nur recht.
Kaum war der Bankier verschwunden, erschien Emil Dohnke in seinem Kontor und überreichte ihm mit
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