Aprilgewitter
säuerlicher Miene einen Brief. »Landrat von Stenik hat eben anfragen lassen, ob er über das angeforderte Geld verfügen könne.«
Während Fridolin sich daranmachte, von Steniks unverschämt fordernden Brief auf eine Weise zu beantworten, die diesen zufriedenstellen würde, ließ Grünfelder sich nach Hause fahren. Als er das Speisezimmer betrat, in dem schon alles für das Mittagessen bereitstand, sahen sowohl seine Frau wie auch seine Tochter an ihm vorbei auf die Tür und wirkten enttäuscht.
Wilhelmine stieß einen Seufzer aus. »Ist Herr von Trettin heute nicht mitgekommen?«
»Er musste aus geschäftlichen Gründen in der Bank bleiben und mich vertreten«, redete Grünfelder sich heraus und fügte hinzu, dass er ganz froh sei, unter sechs Augen mit Frau und Tochter reden zu können.
»Herr von Trettin hat mich heute sehr nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass er den Einladungen in unser Haus nicht länger Folge leisten kann, wenn seine Gattin nicht ebenfalls eingeladen wird.« Während Grünfelder noch hoffte, seine Frau werde sich nach diesem Hinweis dazu aufraffen, Lore von Trettin zum Nachmittagskaffee einzuladen, stampfte seine Tochter sehr undamenhaft mit dem Fuß auf. »Ich will diese Person hier nicht sehen! Der arme Herr von Trettin. Wie schrecklich für ihn, an solch ein Weib gefesselt zu sein.«
Erschrocken sah Grünfelder seine Frau an. Diese wirkte ebenfalls pikiert und versuchte, auf das Mädchen einzuwirken. »Beruhige dich, mein Kind! Herr von Trettin sieht mir nicht so aus, als wäre er über seine Ehe unglücklich.«
»Ist er aber. Das fühle ich ganz deutlich!«, rief Wilhelmine leidenschaftlich aus. »Seine Frau ist eine ganz gemeine, berechnende Person. Meine Freundin Kriemhild von Wesel hat mir einiges über dieses Weib erzählt. Eine nahe Verwandte des Herrn von Trettin kennt die Verhältnisse gut und ist schlichtweg entsetzt über die angeheiratete Flickschneiderin. Der arme Fridolin sollte sich von dieser Person scheiden lassen und sich eine Gattin erwählen, die zu ihm passt!«
Während Grünfelder wie erstarrt war, reichte Juliane ihrer Tochter ein Taschentuch. »Trockne deine Tränen, mein Kind! Ich verspreche dir, ich werde Herrn von Trettins Ehefrau nicht in meinem Haus empfangen.«
Während Wilhelmine aufatmete, kaute ihr Vater auf den Spitzen seines Bartes herum. »Dies wird Herrn von Trettin gar nicht gefallen, und wir laufen vielleicht sogar Gefahr, dass er sich ganz von uns zurückzieht und die Bank verlässt. Das wäre ein großer Verlust für mich.«
»Für mich auch!« Seine Tochter ließ den Tränen wieder freien Lauf und sah mit dem Blick einer sterbenden Hirschkuh zu ihm auf. »Warum muss ein Herr, der so viel Eindruck auf mich macht, mit einer so entsetzlichen Person verheiratet sein?«
Während ihr Vater den Satz noch zu begreifen suchte, riss es Juliane Grünfelder herum. »Gilt deine Neigung tatsächlich Herrn von Trettin?«
Wilhelmine senkte schamhaft den Kopf. »Ich habe versucht, dagegen anzukämpfen, aber ich …« Sie betupfte mit dem Taschentuch die feuchten Augen. »Herrn von Trettin zeichnet alles aus, was ich mir von einem Gatten wünsche. Er ist von Adel, wohlgestaltet, höflich und, wie Papa sagt, eine unersetzliche Hilfe in der Bank. Ich wünschte, er wäre frei!«
»Nun, das ist …« Grünfelder fehlten die Worte. Stattdessen musterte er seine Tochter mit einem Blick, als wisse er nicht, ob er sie übers Knie legen oder trösten sollte.
Seine Frau blickte auf die Uhr. »Wir sollten Platz nehmen und speisen. Du wirst ja bald wieder in die Bank zurückkehren wollen, mein Lieber.«
Grünfelder sah aus, als wolle er am liebsten gleich dorthin flüchten. Doch er setzte sich gehorsam und nahm das Besteck zur Hand. Juliane Grünfelder ergriff die Klingel, um den Diener zu rufen, der ihnen vorlegen sollte, und warf ihrer Tochter einen warnenden Blick zu, damit sie sich nicht vor den Bediensteten gehen ließ.
Das Mittagessen verlief in eisigem Schweigen. Danach hätte der Bankier sich am liebsten in den Rauchsalon zurückgezogen, um eine gute Zigarre zu genießen. Seine Frau machte ihm jedoch unmissverständlich klar, dass sie seine Anwesenheit in ihren Räumen wünschte.
»Wir müssen miteinander sprechen, mein Lieber«, begann sie, kaum dass sie sich und ihrem Mann ein Glas Wein und Wilhelmine eines mit Limonade eingeschenkt hatte.
»Ich … Ich weiß nicht, was ich sagen soll …« Grünfelder brach seufzend ab, er hasste
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