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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorentz Iny
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Vizedirektor bereitete ihm Sorgen. Fridolins blitzende Augen und die zusammengekniffenen Lippen deuteten auf eine tiefgehende Verstimmung. Dies lag offensichtlich an den Damen, die mit am Tisch saßen und ihn durch ihre Gegenwart ständig daran erinnerten, dass man seine Ehefrau wieder nicht eingeladen hatte.
    Grünfelder wurde bewusst, dass Juliane und Wilhelmine es mit ihren Einladungen übertrieben hatten. Es waren nicht nur die Komtess Kriemhild von Wesel samt Mutter und Kusine gekommen, sondern auch zahlreiche andere Damen aus adeligen oder reichen bürgerlichen Familien. Fridolin von Trettin musste es als offene Brüskierung ansehen, dass seine Gattin in diesem Kreis nicht willkommen geheißen wurde.
    Auch unter den hochrangigen Herren waren einige das erste Mal unter den Gästen, darunter Major Heinrich von Palkow, der mit General Fjodor Michailowitsch Tirassow einen echten russischen Fürsten mitgebracht hatte. Als weiteren Gast konnte Grünfelder den Industriellen Rendlinger begrüßen, der mit seinem Sohn und den beiden Töchtern samt Schwiegersöhnen aufgetaucht war. Wie es aussah, hatte Rendlinger einen höheren Kredit im Sinn, denn er sprach lautstark davon, eine neue Fabrik zu kaufen und eine andere zu vergrößern. Grünfelder beschloss, Fridolin mit den entsprechenden Verhandlungen zu beauftragen. Damit würde er seinem Vize schmeicheln und den Affront hier vergessen machen.
    Das Mahl war ausgezeichnet, und auch die Weine und Liköre wurden gelobt. Doch Fridolin empfand das hier Gebotene als zu effekthascherisch und beteiligte sich anders als bei früheren Einladungen kaum an den Gesprächen. Meist antwortete er nur, wenn das Wort direkt an ihn gerichtet wurde.
    Wilhelmine Grünfelder, die an seiner Seite saß, war dementsprechend unzufrieden. »Sie sind heute so stumm wie ein Fisch«, beschwerte sie sich und sah sofort den vorwurfsvollen Blick ihrer Mutter auf sich gerichtet. Es gehörte sich einfach nicht, so zu einem Herrn zu sprechen. Allerdings ärgerte auch Juliane Grünfelder sich, weil Fridolin die Ehre, die ihm in ihrem Hause erwiesen wurde, nicht zu schätzen schien.
    Dieser streifte ihre Tochter mit einem kurzen Blick und deutete ein Achselzucken an. »Es gibt Zeiten, in denen man lieber schweigt, gnädiges Fräulein.«
    Im Gegensatz zu Fridolin legte Rendlinger sich keine Zügel an, sondern berichtete selbstbewusst von seinen Erfolgen. Der Stolz quoll ihm aus allen Poren. »Letztens hat sogar Seine Königliche Hoheit, der Kronprinz, äh …, ich meine natürlich Prinz Wilhelm, eine meiner Fabriken besucht. Ein prachtvoller junger Mann, muss ich sagen, und eine Hoffnung auf goldene Zeiten für unser geliebtes Preußen und natürlich für ganz Deutschland!«
    Während die meisten Anwesenden Beifall klatschten, verzog der russische Gast den Mund. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, legte Major Palkow ihm die Hand auf den Arm. »Bitte kein Aufsehen, General! Es würde hier nicht gut aufgenommen werden.«
    Tirassow nickte zögernd und winkte einem Lakaien, sein Weinglas neu zu füllen. Danach hatte er sich wieder so weit in der Gewalt, Rendlingers weiteren Ausführungen mit unbewegter Miene zuhören zu können.
    Für Fridolin stellten die Prahlereien des Fabrikbesitzers eine Erleichterung dar, denn nun hing Fräulein Grünfelder an den Lippen des bulligen Mannes. Er selbst achtete nicht auf Rendlingers Geschwätz, sondern grübelte darüber nach, wie er sich Grünfelder gegenüber verhalten sollte. Sein Stolz gebot ihm, am nächsten Tag das Gespräch mit ihm zu suchen und ihm ein für alle Mal klarzumachen, dass er eine weitere Missachtung seiner Frau nicht akzeptieren werde. Andererseits lockte es ihn, Anteilseigner der Bank zu werden. Einen ähnlich guten Posten wie hier würde er in Berlin mit Sicherheit nicht mehr bekommen. Wenn er sich tatsächlich von Grünfelder trennte, würde er wahrscheinlich sogar nach Bremen zurückkehren und Thomas Simmern bitten müssen, ihn wieder beim Norddeutschen Lloyd einzustellen. Eine wahrlich unangenehme Vorstellung, wie ein Hund mit eingezogenem Schwanz zu seinem früheren Gönner zurückkriechen zu müssen.
    Wenn er aber Vizedirektor von Grünfelders Bank blieb, war er es Lore schuldig, dass sie von dessen Damen empfangen und in ihren Freundeskreis aufgenommen wurde. Sonst würde er selbst nur noch Einladungen in Grünfelders Villa annehmen, die geschäftlichen Zwecken dienten. Mit diesem Entschluss glaubte er, vorerst leben zu können.
    Unterdessen

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