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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorentz Iny
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»Ausgezeichnet! Wenn Fräulein von Trepkow weiterhin so gut arbeitet, ist sie ein Gewinn für deinen Modesalon.«
    »Es freut mich, dass du es auch so siehst, liebe Laurie. Ich würde Fräulein von Trepkows Hilfe gerne annehmen, denn in dem Fall müsste ich einigen Damen, die gerne bei mir arbeiten lassen würden, nicht absagen. Was wollen wir der jungen Dame als Erstes auftragen?«
    »Wie wäre es mit einem meiner Hauskleider? Nimm von dem blauen Tuchballen die entsprechende Länge, lass ihn hier zurechtschneiden und versorge das Fräulein mit dem richtigen Garn. Dann kann sie es zu Hause nähen und zu mir kommen, damit ich es anprobieren kann.«
    »Ich werde das Tuch selbst vorbereiten, aber erst, wenn meine Näherinnen Feierabend gemacht haben. Die Sache geht die schwatzhaften Küken da draußen nichts an. Ich hoffe, Sie können so lange warten, Fräulein von Trepkow.«
    Diese nickte, obwohl ihr nicht wohl bei dem Gedanken war, den langen Fußweg nach Hause erst bei Einbruch der Nacht antreten zu können. Doch Lore war das Problem bewusst. »Ich habe eine bessere Idee! Mary, wärst du so lieb, eine Droschke für mich und Fräulein von Trepkow rufen zu lassen? Dann fahren wir zu mir nach Hause und betreiben ein wenig Konversation.«
    »Ich danke Ihnen, Frau von Trettin!« Obwohl Caroline sich schämte, auf die Hilfe fremder Leute angewiesen zu sein, war sie erleichtert. Näharbeiten brachten zwar nicht viel ein, doch schon ein paar Mark mehr im Monat konnten den Ausschlag geben, ob sie auf etliche Mahlzeiten verzichten mussten oder nicht.
    Mary war ebenfalls zufrieden, denn Caroline konnte geschickt mit Nadel und Zwirn umgehen. Außerdem würde sie in Lores Gesellschaft gewiss bald auftauen und dieser vielleicht sogar die erste Freundin sein, die sie in Berlin fand.

XVI.
    O bwohl Caroline von Trepkow erklärte, es sei nicht nötig, bestand Lore darauf, ihr auch für den Heimweg eine Droschke zu besorgen. Sie bezahlte den Kutscher im Voraus, gab ihm einen Groschen als Trinkgeld und verabschiedete sich von der jungen Frau. Während sie ins Haus zurückkehrte, sann sie über die vergangenen Stunden nach. Sie hatten Kaffee getrunken und Kuchen gegessen, und nach anfänglicher großer Zurückhaltung hatte sich ihre Besucherin als recht angenehmer Gast erwiesen. Bei Tisch hatte Caroline eine bewundernswerte Beherrschung gezeigt. Obwohl sie wahrscheinlich nichts zu Mittag gegessen hatte, hatte sie ihr Kuchenstück nicht einfach in sich hineingeschlungen, sondern langsam und voller Genuss verspeist.
    Da Mary erst spät gekommen war, hatte Lore Caroline noch zum Abendessen eingeladen und dort die gleiche Beobachtung gemacht. Die junge Dame mochte arm sein und in letzter Zeit oft gehungert haben, doch sie vergaß nie, was sich gehörte. Auch aus diesem Grund freute Lore sich darauf, sie bald wiederzusehen, zumal Fridolin an diesem Abend wieder einer Einladung von Grünfelder gefolgt war. Ohne Caroline hätte sie allein essen müssen und gewiss nur lustlos auf ihrem Teller herumgestochert.
    Jutta, die seit fast dreißig Jahren als Dienstmädchen in verschiedensten Haushalten tätig war, hatte einen noch feineren Blick für die Not als ihre Herrin und hatte Caroline zum Abschied ein kleines Paket zugesteckt. In dem Glauben, es wäre etwas, das zu dem Kleid gehörte, hatte diese es angenommen.
    Als Caroline ihre Mitbringsel jedoch in dem zwar großen, aber nur durch ein einziges Fenster in der Ecke erhellten Zimmer auspackte, das sie mit ihrer Mutter und einer alten Bediensteten teilte, entdeckte sie Leber- und Blutwürste und ein Töpfchen Schmalz. Im ersten Augenblick wusste sie nicht, ob sie zornig sein oder sich schämen sollte. Die leuchtenden Augen, mit denen die alte Fiene die Lebensmittel betrachtete, erinnerten sie jedoch daran, wie oft die treue Seele mit ihnen hatte hungern müssen. Daher packte sie den Stoff für das Kleid erst einmal zur Seite und beschloss, die Gabe so zu nützen, wie es ihr am besten erschien.
    »Mama, magst du dich zum Abendessen an den Tisch setzen, oder soll ich dir ein Brot belegen und klein schneiden?«, fragte sie ihre Mutter, die in eine Decke gehüllt in dem einzigen Sessel saß, den es in dem Raum gab. Ihre Stimme übertönte kaum den Krach, den mehrere Streithähne in einem Nachbarzimmer veranstalteten. Caroline zog resigniert die Schultern hoch. Der Raum, in dem sie zur Untermiete wohnten, gehörte zu einer Zwölfzimmerwohnung, und manche Bewohner nahmen keine Rücksicht.
    Frau von

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