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Aprilwetter

Aprilwetter

Titel: Aprilwetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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Nachrichtenbilder in verwackelter Handkameraästhetik, die man jederzeit mit der Fernbedienung loswerden kann.
    »Was denkst du jetzt gerade?«, fragt Christine.
    »Dass wir Glück haben.«
    »Ja. Ich auch.«
    Sie kauft Obst am Stand eines Türken, Benno trägt ihr die Tüte, später kommen noch Käse und ein Brot dazu. Sie probiert Schuhe, kauft sie nicht, probiert ein Top, kauft es nicht, probiert einen Rock, kauft ihn, nachdem ihn Benno gelobt hat, will in eine Buchhandlung gehen, aber er wird langsam unruhig und verabschiedet sich, um im La Storia nach dem Rechten zu sehen. Er will zurück in seine Höhle. Hier draußen ist zu viel Sonne, Bewegung, Durcheinander, er verträgt das nicht mehr in höherer Dosis.
    —
    Sie packten ihre Reisetaschen und Gitarren in Bennos Mercedes und holten Christine ab. Im Kofferraum war noch Platz für ihren Rucksack. Benno hatte den Wagen einem Zigeuner abgekauft, er war riesig, hatte Ledersitze und Klimaanlage, war grässlich golden lackiert, ein richtig fettes Protzmobil mit pfundweise Chrom an der Außenhaut.
    Sie fuhren durch den Schwarzwald über Straßburg nach Nancy, wo sie sich eigentlich schon ein Hotel suchen wollten, aber sie waren so in Schwung, dass sie nach einem Spaziergang durch die Stadt wieder einstiegen und bis Troyes weiterfuhren. Christine saß auf dem Beifahrersitz, Daniel am Steuer, und Benno fläzte sich in den Rücksitz und döste, wenn es gerade nichts zu reden gab. Das war die meiste Zeit der Fall.
    »Seid ihr immer so schweigsam«, fragte Christine einmal, »oder nur wegen mir?«
    »Wenn ich bekifft bin, rede ich ununterbrochen«, sagte Daniel.
    »Aber das ist jetzt unmodern«, sagte Benno.
    »Erzähl was von dir«, schlug Daniel vor, und Christine begann von ihrer Schwester, ihrer Mutter, ihrem gestorbenen Vater, der Förster gewesen war, zu reden, von ihren Plänen, Psychologie zu studieren, von einer bewunderten Kunstlehrerin und einem Freund, den sie verlassen hatte, als ihr klar geworden war, dass er das große Ziel verfolgte, einen Porsche zu fahren. »Der tut sein Leben lang nichts für andere«, sagte sie, »alles nur für sich. Macht eine Banklehre, damit er Geld aus Geld machen kann. Ich will meine Zeit nicht mit solchen Leuten vertun.«
    Eine Weile war Stille. Benno hatte sich in die Mitte gesetzt und den Kopf zwischen die beiden nach vorn gestreckt, jetzt wollte er sich gerade wieder zurückfallen lassen, da sagte sie: »Jetzt Benno.«
    »Ich weiß nicht«, sagte er, »hab eigentlich keine Lust.«
    »Aber ich«, sagte Christine, »wenn du nicht von selber erzählst, dann frag ich dich eben aus.«
    »Frag mich aus.«
    »Leben deine Eltern?«
    »Ja.«
    »Wo?«
    »Meine Mutter auf Mallorca, mein Vater in Südafrika. Sie sind geschieden.«
    »Hast du Geschwister?«
    »Nein. Einzelkind.«
    »Wann haben sie sich scheiden lassen?«
    »Vor neun Jahren. Meine Mutter hatte einen Freund. Der spielte dauernd Platten von Hannes Wader und Leo Kottke und Werner Lämmerhirt. Von ihm hab ich Gitarrespielen gelernt. Er zog bei uns ein, als mein Vater ging. Und als ich mit der Schule fertig war, sind sie nach Mallorca gezogen. Er hat dort eine Firma, die Haushaltsgeräte vertreibt.«
    »Und dein Vater, was macht der?«
    »Bauingenieur.«
    »Hast du Kontakt?«
    »Zu meinem Vater nicht, zu meiner Mutter ein-, zweimal im Jahr.«
    Er ließ sich noch ein paar Würmer aus der Nase ziehen, aber bald gab sie auf. Seine Antworten waren zu einsilbig. Auch Daniel erwies sich als Stockfisch, was seine Vergangenheit betraf, gab grade mal zu, dass ihm seine Mutter mit ihrer ewigen Fürsorglichkeit und Erwartungshaltung auf die Nerven gehe, mehr nicht, das war schon seine ganze Selbstreflexion, und das Gespräch wurde erst wieder lebendig, als Christine wissen wollte, wie sie zusammengekommen waren. Da konnten sie endlich über Musik reden.
    —
    Es regnete, als sie in Troyes einfuhren und vor dem ersten Hotel am Stadtrand anhielten. Und im Augenblick des Aussteigens, synchron zum Öffnen der Wagentüren, verwandelte sich der bis eben noch moderate Regen in einen Wolkenbruch, und sie standen zehn Sekunden später alle drei durchnässt und lachend an der Theke, wo eine Madame mit blauen Haaren sie zuerst misstrauisch, aber dann, nach einem kurzen Blick auf Christine, zusehends freundlicher behandelte.
    »Wie sollen wir’s machen«, sagte Daniel, »drei Einzel oder nehmen wir beide ein Doppel und Chris…« Weiter kam er nicht, denn Christine wandte sich resolut zur Madame

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