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Aprilwetter

Aprilwetter

Titel: Aprilwetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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Nähe zu viel, das Zusammenleben war geschwisterlich und ohne Koketterie, und wenn sie Daniel oder Benno berührte oder wenn sie zu dritt schliefen, fühlte sich das bald normal und richtig an. Und einfach. Benno verkrampfte sich nicht mehr.
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    Damals wusste er es noch nicht, erst später wurde ihm klar, dass er diese ganze Zeit über darauf hoffte, mit ihr allein zu sein, von ihr ermutigt zu werden, mit ihr in die Büsche oder ins Bett oder wohin auch immer zu fallen – er war von dieser Hoffnung besessen, ohne das zu erkennen. Aber immer dann, wenn sie tatsächlich mal zu zweit waren, schien die Verbindung abgebrochen. Ob das an ihm lag, an seiner Schüchternheit, oder an ihr, die sich nicht zu weit mit ihm einlassen wollte, wusste er nicht. Was er wusste, war, dass er sich hochgestimmt, euphorisiert, beflügelt fühlte, alles schien ihm hell und optimistisch, Christines Anblick im Bikini drückte ihm aufs Sonnengeflecht, ihren Duft nachts im Bett neben sich atmete er tief ein und glaubte, er aktiviere dieselben Synapsen wie das Gras, das sie nicht mehr rauchten. Christines unkomplizierte Art, einfach das zu genießen, was gerade anlag, sich dem Augenblick zu überlassen, was auch immer er gerade bot oder verlangte, schenkte ihnen, neben aller erotischen Anspannung, die Benno nie ganz loswurde, eine Art Frieden, eine Gelassenheit und Ruhe, die ihnen gefehlt hatte, nach der sie gesucht hatten, die sie sogar in ihrer Musik hin und wieder erahnt und beschworen, aber im wirklichen Leben nicht gekannt hatten. Sie tat ihnen gut. Tanner & Krantz hatten eine Muse.
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    In La Baule, einem großen mondänen Badeort, leisteten sie sich eine Suite für ein paar Tage. Das Hotel war ein riesiger Palast direkt am Strand, die Nachsaison-Melancholie passte perfekt zu diesem Ort. Der Schimmer des Messings, der früher ein Glanz gewesen war, das verschlissene, aber noch immer gepflegte Leder, der von den Jahren rau gewordene Marmor, die Patina überall, das gediegene Benehmen der Angestellten und die pompösen Deckenmalereien machten alle drei benommen vor Entzücken.
    Sie hatten nur einen Blick in die Halle werfen wollen, weil der Bau von außen so beeindruckend war, aber dann standen sie wie angenagelt und konnten die Augen nicht von all der Pracht abwenden. »So müsste man leben«, seufzte Christine.
    »Tun wir doch«, sagte Daniel, gab sich einen Ruck und marschierte los zur Rezeption. Als Benno und Christine bei ihm ankamen, unterschrieb er schon den Meldezettel.
    Daniel und Benno gaben sich routiniert und genossen Christines Entzücken, als sie das Bad, den Balkon und die beiden Zimmer inspizierte. Sie waren auf ihren Auslandstourneen immer mal wieder in teuren Hotels untergebracht worden und fühlten sich nicht eingeschüchtert, aber so schön, so prächtig, so sinnlich überladen hatten sie noch nie gewohnt.
    »Ihr müsstet weiße Anzüge tragen«, sagte Christine, als sie auf den Balkon zwischen Daniel und Benno trat und auf den Strand hinabsah.
    »Und Strohhüte«, ergänzte Benno, »und du ein weißes Kleid mit Hut. Und Pudel.«
    »Dann kaufen wir das halt jetzt«, sagte Daniel.
    »Keinen Pudel«, verlangte Benno.
    —
    Sie kaufte dann nur einen Schlafanzug und Daniel ein helles Jackett. Benno fand nichts, was er hätte haben wollen, und stand nur geduldig dabei, als die beiden sich durch die Offerten eines Kaufhauses, zweier Boutiquen und eines kleinen Flohmarktes probierten – er hätte die Zeit lieber in einem Platten- oder Gitarrenladen zugebracht.
    Abends beim Essen schlug Daniel plötzlich vor, Christine solle bei ihnen wohnen. Sie brauchten kein Wohnzimmer, wenn sie Lust habe, solle sie einziehen. Sie wurde nachdenklich, sagte zuerst gar nichts, dann, leiser als sonst und irgendwie zögerlich: »Glaubt ihr, ich tu euch gut?«
    »Ja«, sagte Benno, obwohl er mit Ärger zu kämpfen hatte. Daniel hatte das vorgeschlagen, ohne zu fragen. War er sich so sicher, dass Benno das wollte, oder war es ihm egal? War er so selbstherrlich, dass er glaubte, über Bennos Leben bestimmen zu dürfen?
    »Ich würde gern«, sagte sie dann, immer noch so leise und vorsichtig, als müsse sie die Worte erst ausprobieren, bevor sie sich entschied, sie wirklich gültig auszusprechen.
    »Wenn du immer die Spülmaschine ausräumst, musst du auch keine Miete bezahlen«, sagte Daniel. Das sollte zwar ein Witz sein, aber es kam schief daher. Sie runzelte die Stirn einen Moment und antwortete dann sehr bestimmt und abschließend: »Ich

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