APROPOS JANE ROBERTS - ERINNERUNGEN EINER FREUNDIN (German Edition)
dass sie nicht darüber reden wollte (sie schrieb erst 1979 in Der Gott von Jane darüber). Wir wurden sehr geübt darin, nichts zu bemerken, nichts zu sehen, auf keinen Fall etwas zu erwähnen – obwohl es ganz offensichtlich war, dass sie beim Sprechen für Seth oder beim Singen von Sumari kaum behindert war (sie gestikulierte dabei mit Armen und Schultern, mit Kopf und Oberkörper fast ballettartig und bewegte sich auf eine wunderschöne Art). Wir wagten zwar, ihr diesen Kontrast mitzuteilen, aber ihre Reaktion darauf war ziemlich zurückhaltend, höchstens ein „Wirklich?“ und ein Achselzucken. Heute frage ich mich, ob sie das Ganze nicht mehr demütigte – ein verdammter Geist, der ihren Körper besser zum Funktionieren bringen konnte als sie selbst; Herrgott noch mal, was war denn nur los mit ihr ?
Deshalb sagte ihr auch niemand etwas direkt ins Gesicht. Wir wussten alle, dass ihre Würde sehr stark davon abhing, dass sie diese Angelegenheit allein löste.
Und manchmal schien es wirklich, als ob sie sie gelöst hätte – oder dass zumindest irgendetwas körperlich Befreiendes geschehen war; sie ging aufrechter oder bewegte sich ein wenig besser oder sie beugte triumphierend ihre Finger vor uns (und ging dann zu anderen Themen über). Manchmal verlor sie sich in der laufenden Unterhaltung und ließ sich gehen und ihre Behinderungen erschienen weniger stark, zumindest in jenem Moment. Und sonst – wirklich ein enormes „sonst“ – schien sie ja gesund, wenn auch sehr dünn; natürlich nicht perfekt (wer war das schon?), aber sicher nicht die groteske Figur, die ihre Tagebucheintragungen aus jenen Tagen so herzergreifend porträtieren. Am 9. März 1973 schreibt sie im „Bali“-Manuskript:
Sie stand auf, beugte sich hinüber, griff nach der Türstütze, gekrümmt, wessen sie sich bewusst war, und bereitete das Abendessen zu… Vorher hatte sie in den Spiegel geschaut, die Badezimmertüre geschlossen, sodass der große Spiegel in ihr Zimmer gerichtet war. Und die Stirne gerunzelt. Da stand sie, von vorne nicht allzu schlecht, wenn man nicht genau hinschaute, ein gutes Gesicht, schöne große Augen, mit oder ohne Brille; Jeans, Hemd; von vorne eine ziemlich gute Figur und offensichtlich voller Vitalität.
Die Seitenansicht war etwas ganz anderes; man sah die Beine; sie waren überhaupt nicht gerade und die Schultern und alles zusammen seltsam, missgestaltet, zumindest jetzt, die Jeans waren ausgebeult; sie hätte heulen mögen über diese Seitenansicht…
Gerne würde ich glauben, dass meine natürliche Überschwänglichkeit und gute Gesundheit Jane in gewisser Weise halfen, wenn ich bei ihr war und wenn wir, manchmal zusammen mit meinem kleinen Sohn Sean, lachten und scherzten und alles glücklich und in Ordnung schien. Andererseits verstärkte ich aber vielleicht damit ihre Ängste und zeigte auf, was geschehen könnte, wenn man fähig wäre, all das zu tun, was man will – man läuft nur herum und verschleudert seine Zeit, weil man es eben kann . Aber ich stellte immer sicher, dass ich ihr sagte, sie sehe gut aus oder lebhaft oder energiegeladen oder irgendetwas, auch dann, wenn es kaum je zutraf.
Nach einer gewissen Zeit, wenn sie überhaupt mit mir über ihre gesundheitlichen Probleme sprach – was nicht oft geschah –, machte ich ihr Vorschläge, von denen ich wusste, dass sie ziemlich schockierend für sie waren, zum Beispiel: „Warum findest du nicht einfach heraus, welche medizinischen Behandlungen verfügbar sind und machst dir über die Auswirkungen erst dann Gedanken, wenn du keine Schmerzen mehr hast?“, oder: „Warum nicht einen Yogalehrer oder einen Physiotherapeuten anstellen, der ein paar Mal pro Woche mit dir Rehabilitationsübungen für Muskeln und Gelenke macht, wie für jene Spitalpatienten, die über längere Zeit bettlägerig sind, warum versuchst du das nicht?“ Ihr Gesicht hellte sich dann auf, sie stellte mir weitere Fragen, ihr Enthusiasmus steigerte sich, und wenn Rob ins Zimmer kam, erzählte sie ihm von allen diesen Überlegungen. Aber er selbst reagierte nie besonders enthusiastisch darauf und man konnte sehen, wie ihr dann buchstäblich die Luft ausging.
Ich muss hier vorsichtig sein – meine Erinnerungen sind wahrscheinlich durch die Tatsache getrübt, dass ich sechzehn Jahre jünger war als Jane und einfach nicht begreifen konnte, warum sie sich nicht selbst zum Gehen brachte. Zudem besaß ich von meiner Schul- und Ausbildungszeit her einen sportlichen
Weitere Kostenlose Bücher