APROPOS JANE ROBERTS - ERINNERUNGEN EINER FREUNDIN (German Edition)
nach vorne blicken und so tun, als ob nichts anderes existiere.“ Eine der bevorzugten Autorinnen meiner Mutter war Dorothy Parker, deren Erzählung „Big Blonde“ für meine Mutter die Stimme von Frau Jedermann, der Demütigung und dem unerfüllten Sehnen, also dem Schicksal aller Frauen, war. Die erste wirkliche Verzweiflung, die ich je spürte, war beim Lesen dieser Geschichte, wozu mich meine Mutter praktisch gezwungen hatte, als ich zwölf oder dreizehn war. Die Botschaft war klar: Was du willst, kannst du nicht haben; Männer sind gefährlich, das Leben ist fürchterlich, du kannst dich gerade so gut betrinken. Und doch betrachtete meine Mutter erzählende Literatur unerklärlicherweise mit großem Abscheu. „Erzählungen sind Ausflüchte,“ sagte sie viele Male. „Nur Feiglinge schreiben Erzählungen.“ Obwohl sich ihre Tiraden größtenteils gegen Romane richteten, verbarg ich vorsichtshalber meine Geschichten in der Schublade und behielt sie für mich.
Später verstand ich, dass meine Mutter mit ihrer eigenen Erwartungshaltung unvermeidlicher Enttäuschungen nur versucht hatte, mich davor zu bewahren, allzu viel zu erwarten. Im Gegensatz dazu erwartete Jane, kreativ gesagt, einfach alles, und ihr schriftstellerischer Hintergrund hatte sich aus Gedichten und Fantasiegeschichten entwickelt, ähnlich wie bei mir. Was machte es denn schon, wenn sie nicht um den Häuserblock herumlaufen konnte? (Eine wehmütige Frage, mit der sich Jane in ihren Tagebüchern immer wieder beschäftigt.) Meine Mutter konnte viele Male um viele Blöcke herumlaufen, sämtliche Schwimm- und Tauchrekorde der Männer an der Universität übertreffen und eine Million Runden Golf spielen und noch immer fraß sie sich selbst bei lebendigem Leibe auf, indem sie ihre eigenen Fähigkeiten mit grimmiger Entschlossenheit unterdrückte.
Als Paar erschienen mir Jane und Rob selbst wie etwas aus einer Sciencefiction-Erzählung. Sie lebten bescheiden, auf eine unerschütterliche Irgendwie-wird-es-schon-gehen-Art (wie mit jenen Kartonwänden, über die Jane in ihrem Brief an Blanche Price berichtet) und hielten ihre Wünsche und Bedürfnisse unter Kontrolle, damit sie nicht ihr zentrales Gelübde, ihr Leben ihrer Kunst zu widmen, gefährdeten. Auf diese Art erschienen sie mir sehr radikal – ich kannte andere Künstler, die ein karges Leben führten, aber dies schien eher ein Vorwand oder eine schwere Last als ein methodischer Plan zu sein, dem man mit Freude folgt, um ein Lebensziel zu erreichen. In der Tat waren Jane und Rob etwa im gleichen Maße radikal wie konservativ. Sie gaben kein Geld für unnötiges Beiwerk aus, oder für das, was ich als Beiwerk (oder manchmal auch als unentbehrlich) betrachtete – also gab es zum Beispiel keine Einkaufstouren in Buchläden oder andere Extravaganzen jeglicher Art, auch keine im Essens-Bereich. Ihr Auto war (1968) ein alter Plymouth Valiant mit einer unzuverlässigen Batterie. Und diese beiden Leute, ungefähr im Alter meiner Eltern, lebten noch immer in einer mit selbst gemachten und Secondhand-Gegenständen ohne Antiquitätenwert möblierten Mietwohnung und schleppten weiterhin ihre schmutzige Wäsche in den Waschsalon oder (was mir jeweils einen milden Schauder des Entsetzens verursachte) wuschen sie im Badezimmer und hingen sie an den Türknäufen oder im Hof zum Trocknen auf.
„Die Schecks, die ich von Fantasy und Science Fiction erhielt, deckten manchmal während einiger Monate die Kosten für den Waschsalon,“ erzählte mir Jane einmal. „Wir brachten es immer fertig, gerade noch davon zu kommen.“ Sie sagte, dass sie es als eine Frage des Stolzes und auch der Liebe betrachtete, nie nach einem „schicken Haus mit allem Drum und Dran“ mit den entsprechenden Hypotheken zu verlangen und damit, in ihren Worten, „Rob in eine Falle zu locken“ – beide in eine Falle zu locken – mit Schulden. Ihre Hartnäckigkeit trug denn auch Früchte. Als sie 1975 endlich ihr eigenes Haus kauften, bezahlten sie es bar.
Und sie bezahlten auch ihre Arbeitsschulden, jeden Tag, was auch immer geschah. Wenn es an den Freitag- oder Samstagabenden oder am Silvester etwas länger geworden war und sie daher am nächsten Tag ausschliefen, setzten sie zusätzliche Arbeitsstunden ein, um dies wieder auszugleichen. Sie führten auch ohne nachzulassen ständig Buch darüber, wie auch immer ihre anderen Verpflichtungen waren. Während Jahren trug Jane in ihren frühen Tagebüchern ihre Schreibzeit bis hin zur
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