APROPOS JANE ROBERTS - ERINNERUNGEN EINER FREUNDIN (German Edition)
Ihr Sandwich hinter das Sofa zu werfen? Aber ich verstehe diese Geheimnistuerei bestens. Ich habe genau das gleiche Gefühl, mit entgegengesetzten, aber vergleichbaren Resultaten.
Jane sah auf Nahrungsmittel herab oder wohl eher auf das Essen, und betrachtete es als Luxus, als „Schwelgerei, als Belohnung, und eigentlich verdiente ich das Essen nicht, oder nur gerade soviel davon, um am Leben zu bleiben,“ wie sie in ihrem Tagebuch schreibt, und so kasteite sie sich rigoros, sogar privat. Ich aß indessen üblicherweise winzigste Mengen vor anderen und stopfte mich voll, sobald ich allein war. Natürlich konnten wir einander nicht täuschen. Das Problem lag nur darin, dass wir beide glaubten, Jane habe die besseren Glaubenssätze.
Eines der Dinge, die sie bezüglich der „Vogelmahlzeit“ des Flut-Manns beeindruckt hatte, war, für wie viele Male, gemäß ihrer Behauptung, diese Vögel gereicht hatten. Sie sagte mir, dass sie und Rob die Reste während drei aufeinander folgender Tage gegessen hätten. Nun, das erschien mir doch ziemlich mysteriös; es handelte sich hier nämlich um gewöhnliche Hühnchen, nicht um 15 Kilo schwere Truthähne. Wenn es nach mir ging, reichte ein Hühnchen gerade für die Mahlzeit einer Person. Ebenso erzählte Jane immer um die Erntedankfestzeit herum mir und der Klasse oder den Freitagabendbesuchern oder allen zusammen wie sie und Rob ein „absolut klitzekleines Hühnchen“ kauften, um es dann mit einer Maisbrotfüllung zu stopfen und die Reste während Tagen danach zu essen. Tagen danach? Vielleicht einen Bissen pro Mahlzeit? Sonst aber redete sie nie über das Essen, außer dass sie ihr eigenes Maisbrot als Küchenprojekt erwähnte – das bereitete sie oft zu, sogar auch dann noch, als alles andere schwierig war und große Probleme verursachte und sie mehr oder weniger an ihren rollenden Bürostuhl gefesselt war. Das Brot war einfach, herzhaft und gesund und wahrscheinlich das Nahrhafteste, das sie aß. Und sie machte es in den allerkleinsten Brotlaibformen, die man je gesehen hatte.
Falls man je um die Essenszeit herum bei Jane und Rob war und eingeladen wurde, bestand eine typische Mahlzeit aus Gemüse aus der Dose, meistens Erbsen, die im Dosenwasser gekocht und auch darin serviert wurden. Dazu gewöhnliches Weißbrot auf einer gewöhnlichen weißen Untertasse, ein kleines Stück Hackbraten oder ein paar schmal geschnittene Scheiben kalten Aufschnitts, die für alle reichen mussten, Milch, vielleicht ein wenig Ketchup. Gelegentlich ein paar Kekse, von denen Jane vielleicht ein Eckchen aß. Kaffee. Das einfache Essen von Leuten, deren Zeit und Energien sich auf andere Dinge als auf Einkaufen und Kochen konzentrieren.
Manchmal brachte jemand von der Freitagabendmeute etwas Besonderes mit – Eiskrem vielleicht, oder ein Stück Käse, vielleicht sogar einen selbst gemachten Kuchen. Rob, der auch sparsam aß, besaß jedoch eine gesunde Wertschätzung für gutes Essen und genoss das Essen und auch den Gedanken daran, blieb jedoch trotzdem bei seinen Liliput-Mengen. Aber auf Janes Gesicht erschien dann jeweils dieser ganz bestimmte Ausdruck , wenn irgendjemand so etwas Gewagtes wie einen ganzen Kuchen auf den hölzernen Kaffeetisch knallte, fast – nicht ganz, aber fast, ich sah es über ihr Gesicht huschen – fast so, als ob etwas wirklich sehr sehr schlecht riechen würde. Und manchmal schauten wir uns dann an, und alles war uns klar, lag offen und in seiner ganzen Komik vor uns; wir lachten und der Moment ging an uns vorbei. Erst später, als ich ihre Tagebücher las, fand ich heraus, dass es in Janes (nicht wie in Robs) Kindheit keinen einzigen Familienmoment gegeben hatte, in dem es um Fülle, sei es bei Mahlzeiten oder irgendetwas anderem, gegangen war. Sie hatte ihre Kindheit damit verbracht, für eine Invalide zu kochen und sie zu bedienen – ganz zu schweigen von ihrer eigenen Großmutter, die von einem Auto erfasst und getötet wurde, als sie in den Laden ging, um Jane Weizenschrot zu kaufen! Jane hatte keine Verbindung welcher Art auch immer mit Essen als Tradition oder als verwandtschaftliche Vertrautheit. Sogar durchtränkt von Alkohol und Giftzüngigkeit hatte meine um den Esstisch herum versammelte Familie immer noch etwas miteinander geteilt, das ich vermisste, als es nicht mehr da war.
Dann war da der Abend, als wir bei unseren alten Bekannten Clara und Brad zum Nachtessen eingeladen waren; sie hatten Anfang der Siebziger Jahre den ersten Laden für
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