Aqua
auf dem Arm entgegen.
»Warte bitte einen Moment«, bat Walde Doris, bevor er ins Telefon rief: »Frau Helmes? Sind Sie es?«
Die Antwort war als Zustimmung zu deuten.
»Sind Sie zu Hause?«
Das Gespräch brach ab.
»Mist, ich muss weg.« Walde versuchte, Doris, die eine Stufe höher stehen geblieben war, über den Wäschestapel hinweg zu küssen. »Kommst du ohne mich klar?«
Sie blieb gerade stehen, sodass er ihren Mund nicht erreichte und ihren Hals küsste.
Als sie nicht antwortete, umfasste er ihre Hüfte. »Soll ich dir helfen?«
Sie beugte sich herunter und küsste ihn auf die Stirn.
»Geh’ ruhig die Welt retten, wir kommen klar.«
Vera Helmes streifte die bis zum Bund nass und bleischwer gewordene Jogginghose herunter. Den Strumpf über dem verletzten Fuß behielt sie an. Die braune Brühe reichte ihr bereits bis zur Hüfte und der Druck des Wassers, das aus dem Lichtschacht quoll, schien noch stärker geworden zu sein. Als es über der Tür angelangt war, schwappte es zwischen dem Holzverschlag hindurch in den Kellerflur.
Wenigstens brauchte sie sich durch ihren verletzten Fuß keine Sorge um eine Blutvergiftung zu machen. Sie lachte heiser auf. Vorher würde sie ertrunken sein. In ihren Ohren rauschte es, das musste von der gebückten Haltung unter der Decke kommen. In der einen Hand hielt sie das Handy, mit der anderen hatte sie einen der dicken Latten umfasst, die oberhalb der Tür bis zur Decke reichten. Dazwischen hindurch sah sie auf den Kellerflur, wo das Wasser bald die gleiche Höhe wie hier im Raum haben würde. Ihr Telefon läutete. Es klang in ihren Ohren wie der Gesang der Schutzengel.
»Ja!«, rief sie und lauschte erwartungsvoll. Es folgte das Besetztzeichen.
Direkt vor Waldes Haustür hielt ein Lkw mit laufendem Motor. Sandsäcke wurden vor die Kellerfenster gewuchtet.
»Super, vielen Dank!«, rief Walde den Männern zu, als er an ihnen vorbei zum Wagen lief. Dabei hielt er sich das Telefon ans Ohr, nachdem er die Rückruffunktion an seinem Mobiltelefon aktiviert hatte.
»Wollen Sie auch welche für die Haustür?«, rief ihm einer der Männer mit einer nassglänzenden Warnweste über einer dunklen Regenjacke zu.
»Dann kommen wir ja weder rein noch raus«, antwortete Walde über die Schulter.
»Wir stellen die Säcke daneben, dann können Sie diese … im Falle der Fälle davorsetzen.«
Walde setzte das Blaulicht aufs Dach. Nachdem die Verbindung zu Vera Helmes nicht funktioniert hatte, wählte er Grabbe an und fuhr los.
»Wo bist du?«, fragte Grabbe.
»Unterwegs zu Vera Helmes. Mit ihr scheint was nicht in Ordnung zu sein.« Walde musste hinter der Kurve zum Simeonstiftplatz einem Bus ausweichen. »Bitte suche mir ihre Adresse raus.«
»Wie kannst du zu ihr unterwegs sein, ohne die Adresse zu kennen?«
»Erkläre ich dir später … wenn du so freundlich wärst …« Walde hatte die Richtung zur Kanzlei eingeschlagen. Wenn er sich richtig erinnerte, wohnte sie nicht weit von ihrem Arbeitsplatz entfernt.
»Du hast Glück, dass wir die Rechner schon laufen haben.« Walde hörte, wie Grabbe auf die Tasten hackte. »Krahnenstraße …« Das Martinshorn eines entgegen kommenden Feuerwehrwagens verschluckte die Hausnummer. Er ließ sie sich wiederholen und gab Gas. »Ich glaube, ich brauche Verstärkung!«
»Der Notruf und der Funkverkehr sind total überlastet, und bei den Mobilfunknetzen gibt es auch Schwierigkeiten.«
»Dann kommt ihr beiden … bitte, beeilt euch.« Walde bog in die Johannisstraße ein, wo er anhielt, um die Straßensperre etwas zur Seite zu schieben, damit sein Wagen zwischen Hauswand und dem Durchfahrtsverbotsschild hindurchpasste. Kaum hundert Meter weiter blieb der Wagen endgültig stecken. Dort stand ein Lkw, von dessen Ladefläche Sandsäcke abgeladen wurden. Walde eilte zu Fuß weiter. Er kreuzte die Feldstraße, wo sich Wagen des Katastrophenschutzes, mehrerer Hilfsorganisationen und der Feuerwehr schon weit vor der Einfahrt zur Schwesterklinik stauten. Gleich nach den ersten Häusern wurde die Krahnenstraße abschüssig und seine Laufschritte länger. Etliche Haustüren und Laibungen der Fenster im Parterre waren mit Sandsäcken verrammelt. Die Notstege waren in der Straße weit vor dem Wasser errichtet worden, das die gleiche bräunliche Farbe hatte wie das in der Allee vor seinem Haus. Es staute sich bis zur Hälfte der Betonmauer an der Uferstraße, die vom Wasser überspült war. Dahinter brachen sich die Wogen des vorbeirauschenden
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