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Aqualove

Aqualove

Titel: Aqualove Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nola Nesbit
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meinen Daumen hinunter, der bereits Schmerzsignale an mein Großhirn schickte. Zuerst erschien nur ein schmales rotes Band auf meiner Fingerkuppe, dann quoll plötzlich das Blut in einer roten Lache über meine Hand.
    „Was ist los?“, hörte ich Ethan aufgeregt wie von weit weg fragen.
    „Ich ...“, stammelte ich, „Ich habe mich geschnitten. Ich glaube, es ist tief.“ Wie konnte das sein? Ich hatte mich seit Jahren nicht mehr geschnitten.
    Ethan war aufgesprungen.
    „Ein Tuch, eine Serviette!“, forderte ich, während mir das Blut am Arm herunterlief. Als hätte der Blutkreislauf erst jetzt begriffen, dass sich hier ein neuer Ausweg aufgetan hatte, pulsierte die Wunde nun umso heftiger. Ich hielt den Daumen wie eine Trophäe in die Höhe und schaute hilflos in die Runde.
    Ethan hatte mittlerweile ein sauberes Küchentuch aus der Schublade gerissen und kam mit schnellen Schritten um den Tresen herum zu mir.
    Er stülpte das Tuch über meine Hand, und ich versuchte unsicher, den Stoff über dem Schnitt festzuhalten. Schmerzhaft verzog ich das Gesicht. Das Tuch färbte sich binnen Sekunden rot ein, und große Tropfen fielen auf den weißen Küchenboden.
    „Nia, lass mich bitte mal sehen!“, bat Ethan eindringlich. Nur zögernd hielt ich ihm die linke Hand hin. Ethan hob vorsichtig das klebrige Tuch an. Ein wachsendes Rinnsal Blut lief darunter hervor. Als er das Tuch wegzog, drehte ich mich weg.
    „O Mann, Nia. Das sieht nicht gut aus. Das sind mindestens zwei Zentimeter. – Nia, hörst du mich?“
    „Ich möchte mich kurz hinlegen.“ Meine Worte klangen lahm.
    Ich sah zu, wie Ethan das Tuch etwas fester um den Finger wickelte. Inzwischen hatte der Finger fast so etwas wie ein Eigenleben entwickelt. Ich musste mich zwanghaft auf den stärker werdenden Puls konzentrieren. Venus hatte ein weiteres Küchentuch geholt und einen Verbandskasten aus dem Schrank gezerrt. Felix stand hinter mir und hob mich auf einen Wink von Ethan wie eine Puppe vom Hocker herunter. Nicht dass meine achtundvierzig Kilogramm eine große Herausforderung für ihn dargestellt hätten.
    „Leg dich hin!“, wies er mich an. „Felix, leg ihr die Beine hoch! Nia, du musst ins Krankenhaus. Das muss genäht werden.“
    Da war er endlich, der Satz, auf den ich so viele Jahre lang gewartet hatte. „Hörst du mich?“
    Ich konzentrierte mich auf sein besorgtes Gesicht. Alle starrten auf mich herab. „Ich gehe nicht ins Krankenhaus“, hörte ich mich erstaunt selbst sagen. „Meine Mutter erlaubt das nicht“, fügte ich hinzu.
    Die drei warfen sich einen vielsagenden Blick zu.
    „Sobald du halbwegs klar bist, setzen wir uns ins Auto, Nia!“, sagte Ethan mit behutsamer Stimme wie zu einem Kind. Er kniete sich neben mich.
    Ich schüttelte den Kopf. „Auf keinen Fall!“, antwortete ich kategorisch. Ich setzte mich auf. „Gib mir ein Pflaster!“ Noch immer pulsierte mein Daumen schmerzhaft. Je mehr ich darauf starrte, desto flauer wurde mir.
    „Vergiss das Pflaster. Der Schnitt würde so nicht verheilen“, winkte Ethan ab. Wir schwiegen alle drei für einen Moment.
    „Mach du es doch, Ethan!“, unterbrach Venus die Stille.
    Ethan warf ihr einen wütenden Blick zu. „Sie sollte in ein Krankenhaus gehen. Ich will das nicht. Ihr wehtun, meine ich.“
    „Mir ist kalt.“ Ich wollte nach Hause. „Wenn du es nicht machst, gehe ich.“
    Ethan sah mich fassungslos an. Dann stand er auf. „Das ist Erpressung. Ich hole meinen Koffer. Setzt euch an den Tisch dort drüben! Venus, du sprichst mit den anderen und begleitest sie zur Tür. Felix, du passt auf Nia auf!“
    Mit einem flüchtigen Luftzug war er zur Tür hinaus, Venus folgte ihm in die entgegengesetzte Richtung durch die Tür zur Terrasse. Ich schleppte mich zum Tisch hinüber. Felix’ helfende Hand schlug ich aus. In der Küche sah es aus, als hätten wir ein kleines Haustier geschlachtet. Ich legte den Kopf auf die kühle Tischplatte und wartete auf Ethans Rückkehr.
    „Schau mich an, Nia!“, hörte ich ihn nach einer halben Ewigkeit. „Es sind nur ein paar Stiche. Du zuckst bitte nicht und schaust einfach weg, wenn ich anfange. Soll ich den Finger betäuben?“
    „Bloß nicht. Das bedeutet noch mehr Stiche, oder?“
    „Meistens ist die lokale Betäubung in den Fingerkuppen ohnehin schwierig oder unvollständig. Versuchen wir es also so.“
    Seinen Koffer hatte er aufgeklappt neben sich gestellt. Er zog sich Gummihandschuhe über, legte ein frisches Tuch unter meine Hand

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