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Aqualove

Aqualove

Titel: Aqualove Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nola Nesbit
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dass Sie in diesem Fall nicht länger als, hm, sagen wir, sechs Stunden am Leben sein werden. Ich hoffe also auf Ihren gesunden Menschenverstand und unser baldiges Treffen.“
    Dean alias Carlos drückte auf die Lautsprechertaste und lauschte wieder der Stimme am anderen Ende. Dann hielt er nochmals das Mob für uns alle sicht- und hörbar in die Luft.
    Die sonore, selbstsichere und fast heitere Stimme meldete sich: „Nia, es wird Ihnen in unserer Gegenwart nicht ein Haar gekrümmt werden. Carlos und Cem sind zu Ihrem Schutz abgestellt. Bitte machen Sie ihnen ihre Aufgabe nicht unnötig schwer. Beide werden sich bemühen, Ihren Wünschen zu entsprechen. Kann ich mit Ihnen rechnen?“
    Die Frage hing wie ein Klebstofffaden in der Luft. Ich fasste kurz für mich im Kopf zusammen: Jemand wollte mich töten. Diese Leute hier wollten mich beschützen. Vielleicht. War das die Wahl zwischen Pest und Cholera oder eher der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach? Ich hasste Sprichwörter. Was sollte ich tun? Ich nickte zögerlich.
    „Ja, das geht klar.“ Ich wollte selbstsicher klingen. Ich war es nicht.
    „Sehr schön. Gute Reise!“ Mit einem heiteren Lachen verabschiedete sich die Stimme. Das Mob verschwand wieder in der Jackentasche meines Mitfahrers.
    „Kannst du mich jetzt bitte loslassen, Dean?“
    Er starrte auf mein Handgelenk, das er immer noch festhielt. Ich musste diesen Ring bald loswerden. Als er seine Hand löste, zeichneten sich seine Finger rot auf meiner blutleeren Haut ab.
    „Ich heiße Carlos.“ Damit blickte er wieder nach vorn.
    „Nicht für mich“, gab ich trotzig zurück.

Grün
    Wir waren schon eine Ewigkeit gefahren. Wahrscheinlich hatten wir den halben nordamerikanischen Kontinent von Norden nach Süden durchquert. Wir hatten ein paar kurze Pausen gemacht, bei denen ich auf erniedrigende Art und Weise vor meinen Beschützern oder Bewachern hatte pinkeln müssen. Das ließ wenigstens Professionalität vermuten, da ich schon zu viele zweitklassige Filme gesehen hatte, in denen die zu Bewachenden von der Toilette ausreißen konnten. Aber wollte ich überhaupt fliehen?
    Gegessen und getrunken wurde im Auto. Geschlafen auch. Wenn ich das Auto verließ, schwankte ich wie ein Seemann auf Landgang. Wir hatten schon mindestens vier Landesgrenzen überquert. Seltsamerweise hatte ich ein glaubwürdiges Reisedokument vorzuweisen, das Carlos und Cem, die sich beim Fahren abwechselten, aus dem Handschuhfach gezaubert hatten. Unter den Entführten war ich offensichtlich eine VIP. Man musste sich auch über die kleinen Dinge freuen können. Jetzt sprachen die Menschen außerhalb unseres Wagens Spanisch.
    Wir hatten das Auto mittlerweile gegen ein Boot getauscht. Der Wechsel des Verkehrsmittels hatte keinesfalls Erleichterung gebracht. Den Namen Schiff verdiente diese hölzerne Zigarrenschachtel mit knatterndem Außenborder nicht. Es war heiß, und wir hatten mindestens hundert Prozent Luftfeuchtigkeit. Ich schwitzte. Wasser und dunkelgrüne Vegetation. Wir befanden uns in meiner ganz privaten Hölle. Der Boden unter mir schwankte sanft hin und her. Wenn ich nicht schon eine gefühlte Ewigkeit unterwegs gewesen wäre, hätte ich mich jetzt vielleicht einlullen lassen können. Bequemlichkeit fühlte sich anders an. Mir war unendlich schlecht. Das ständige Schaukeln war verantwortlich für meinen Zustand. Mit trockenem Mund schluckte ich die Wellen der Übelkeit hinunter. Ich hörte Vögel singen und kreischen und spürte ab und an einen Spritzer Wasser.
    Ich hatte meine Situation immer und immer wieder überdacht. Meine Schlüsse waren niederschmetternd. Ethan hatte mich ausgeliefert. Ich hatte keine Ahnung, an wen. Ich war ihm zu nahe gekommen. Pearl und Cola hatten recht behalten. Seine letzten Worte hatte ich mir Hunderte von Malen durch den Kopf gehen lassen. Warum war ich „einzigartig“? Aber nicht nur für ihn? Leider verstand ich den Sinn dieser Worte immer noch nicht. Was war an mir einzigartig? Es hatte zu meiner Verschleppung geführt. Er hatte immer wiederholt, dass er das – was? – nicht wollte. Er hatte es dennoch getan.
    Die beiden Grobiane Steven und Andrew, wie passten sie ins Bild? Ich erinnerte mich, wie ich sie im Pool mit Ethan und den anderen hatte schwimmen sehen. Auch sie waren perfekte Schwimmer und offensichtlich Freunde von Ethan. Hatte ich damals etwas gesehen, was ich nicht sehen durfte? Keiner hatte an dem Nachmittag auch nur ein Wort darüber verloren. Es schien

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