Aquila
probiert.«
Stirnrunzelnd sah er ins Feuer und nieste.
»Gehen wir schlafen. Wir sind beide fix und fertig«, sagte sie schließlich.
Als sie im großen Himmelbett aus Eichenholz lagen, zog er die Decken hoch bis unters Kinn und beobachtete, wie die Schatten des frisch entfachten Kaminfeuers an den Wänden entlangliefen wie Wachsoldaten. Er dachte an die vergangenen Nächte: an das Sofa in Pollys Wohnzimmer, an Percy Davis’
Gasthaus an der Küste von Maine, an die Nacht im Freien …
Guter Gott, das war erst letzte Nacht! Polly flüsterte ihm aus seiner linken Armbeuge, in der sie es sich schläfrig bequem gemacht hatte, etwas zu. Draußen warf sich der Sturm ächzend gegen das Haus. »Ich kenne ein Gedicht aus meiner frühen 281
Studentenzeit«, sagte sie leise. »Hör zu:
Fest die Läden zugemacht,
denn die bösen Winde wehen!
In Gedanken heute Nacht
wir die Zukunft leuchten sehen.
Und wenn wir uns nahe sind,
kann kein Übel uns geschehen –
sei es Regen oder Wind … «
Er küsste sie und sagte: »Bei den Gedanken bin ich mir nicht so sicher!« Dann machte er die Augen zu, nahm sie in den Arm und schlief ein, als wäre alles in bester Ordnung.
Im Morgengrauen, als die Glut im Kamin das Zimmer noch angenehm durchwärmte, liebten sie sich. Eisiges Licht fiel durch die dicken, bleiverglasten Fensterscheiben. Die steinernen Löwen auf dem Balkon, die übers Meer hinausblickten, warfen unförmige Schatten. Sie blieben noch etwas liegen, doch dann stand er auf und tapste den kalten Korridor entlang – noch nicht ganz wach, aber bestrebt, etwas zu tun.
Kein Radio, kein Telefon. Sie waren völlig isoliert, wie er feststellte. Er nahm Brot aus dem Kühlschrank, machte Toast und setzte Kaffee auf. Der Anstrich der Normalität beruhigte seine Nerven. Rasch war er in seine getrocknete Hose und die hart gewordenen Schuhe geschlüpft und hatte den schweren, imprägnierten Pullover übergezogen, dem die Behandlung vom Tag zuvor offenbar gut bekommen war. Er saß da und knabberte seinen Toast, starrte in den Nebel hinaus und wartete auf Polly.
Schließlich kam sie in Jeans und Stiefeln herunter, mit einer frischen Bluse aus dickem Wollstoff, die aufwändig mit Schulterklappen und geknöpften Patten verziert war. Sie duftete leicht nach Shampoo und sah knackig frisch aus mit ihren rosigen Wangen. Sie war hungrig wie ein Wolf. Er machte Toast 282
für sie, und während sie aß, betrachtete sie ihn lächelnd. Er spürte, wie ihre Fürsorge ihn sanft umhüllte, spürte ihre Freude daran, spürte, wie sich das Band zwischen ihnen festigte – doch keiner von beiden verlor ein Wort darüber. Ihre Beziehung schien einfach zu existieren, was er als sehr angenehm empfand und seltsam befreiend.
Er brach das vertrauliche Schweigen. »Wir könnten uns mal umsehen, damit wir wissen, worauf wir uns eingelassen haben.«
Von der lang gestreckten Veranda auf der Vorderseite des Hauses aus erschien die Insel wie ein dampfender Hügel mit verschwommenen Umrissen an den Stellen, wo Nebelfetzen die Wasserkante verwischten und den Wald verblassen ließen. Die Oberfläche sah aus wie erstarrte Lava – ein Bild, das er bereits zuvor im Kopf gehabt hatte, ohne zu wissen, woher … Dichter, wabernder Nebel, der alles in ein rauchendes Schlachtfeld zu verwandeln schien, auf dem der Tod lauerte, war nichts Neues für ihn.
Als sie sich durch das nasse Gras von dem Weg entfernten, den sie vor etwa zwölf Stunden gekommen waren, nahm die Landschaft Gestalt an: ein riesiger Stoß Feuerholz, der so durchweicht war, dass man ihn niemals seinem Zweck
entsprechend verwenden konnte, dahinter ein dichter Kiefern-und Tannenwald, dunkel und undurchdringlich und genauso abweisend wie eine hoch aufragende Schieferwand. Am Waldrand entlang liefen sie durch dichten Nebel, der durch ihre Kleidung bis auf die Haut drang, zum Strand hinunter. Beim Näherkommen hörten sie durch die dämpfende Nebelschicht die Brandung rauschen und die Wellen an den Strand schlagen.
Näher am Ufer neigten sich die Bäume und das dichte, verfilzte Buschwerk landeinwärts. Die verdrehten, gekrümmten Äste und Stämme sahen aus, als würden sie angstvoll vor dem Meer fliehen. Eine Baumreihe säumte den Klippenrand: Hemlock-Tannen, Rotahorn und Zuckerahorn, Buchen und Fichten – von Menschen als Windschutz so gepflanzt, dass sie 283
von dem hundert Meter entfernt auf viel höherem Gelände gelegenen Haus sehr gute Sicht auf die See gewährten. Sie standen am
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