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Aquila

Aquila

Titel: Aquila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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verfolgen, die das Dokument wollen und uns notfalls umbringen würden. Wenn wir uns auf einem
    Polizeirevier melden, wissen die gar nicht, was sie mit uns anfangen sollen.« Sie lächelte.
    »Gut. Machen wir uns auf den Weg.«
    »Zuerst muss ich wegen Ezzard anrufen. Pudere dir die Nase, dann bin ich so weit.« Sie ging zum öffentlichen Telefon an der Wand und nahm ihre Kreditkarte aus der Börse in ihrer Manteltasche.
    244
    Vor der Tür fragte er den Fahrer eines Kombi mit dem Schriftzug DOWN EAST TV REPAIR, ob er wisse, wie man nach Ellsworth komme.
    »Sie könnten trampen«, meinte der und zwinkerte ihm mit seinen blauen Augen unter den rötlichen Augenbrauen zu, »oder Sie warten auf ein Taxi. Da müssen Sie allerdings lange warten.«
    Er sah Polly herauskommen. Ihr Schaffellmantel stand offen und schlug im Wind auseinander. »Nachdem ich aber selber Richtung Ellsworth fahre, könnten Sie auch mit mir fahren.« Er schenkte Polly ein Lächeln.
    Später saßen sie zusammengepfercht auf dem Vordersitz und ließen seine Fragen und sein Geschwafel einsilbig über sich ergehen. Ab und zu warf er einen versteckten Blick auf Pollys Schenkel und auf ihr Gesicht. Nach fast einer Stunde fuhr er rechts ran.
    »Ja, Leute, es war sehr interessant, mit euch zu reden, aber hier ist Endstation: Die schöne Stadt Ellsworth, Holiday Inn.«
    Chandler sprang hinaus, holte die Tasche vom Rücksitz und zog Polly mit sich. »Vielen Dank!«, rief sie über die Schulter.
    Chandler murmelte freundlich winkend etwas Obszönes und eilte über den Parkplatz zum Motel. Der Portier rief ein Taxi, das sie unter der Markise vor dem Eingang erwarteten. »So schlimm war er nicht«, bemerkte Polly.
    »Er ist bloß jedes Mal fast in den Graben gefahren, wenn er auf deine Schenkel gestarrt hat, der geile Bock.«
    »Du hast ihn angesprochen, Liebling.« Das Taxi fuhr vor Chandler nannte ihr Ziel: Bar Harbor.
    »Bah Hahba? In Bah Hahba ist alles dicht – absolut alles!«
    »Fahren Sie einfach hin. Bitte.«
    Kopfschüttelnd überwand der Fahrer seinen
    Widerspruchsgeist, bog vom Holiday Inn aus rechts ein und brachte sie ohne ein weiteres Wort nach Bar Harbor.
    Kendricks Sportladen thronte über dem Wasser der grauen, 245
    flachen Bucht. Man konnte nicht erkennen, wo die
    Wasseroberfläche aufhörte und der Nebel anfing. Die goldene Sonne war völlig verschwunden. Vom Geruch des Meeres umgeben, standen sie allein auf der verlassenen Straße. Ein paar Boote mit schlanken Masten klammerten sich unruhig an den verwitterten Steg aus dicken Holzplanken. Am Ende des Stegs kniete ein Mann in einer langen Plaidjacke und starrte ins Wasser. Die Mütze hatte er tief ins Gesicht gezogen.
    Trotz seiner gesellschaftlich berühmten Vergangenheit kam ihnen Bar Harbor vor wie eine modrige, von der Witterung gezeichnete Geisterstadt mit gespenstischem Echo. Chandler drückte auf die Klinke an der Eingangstür zum Sportgeschäft, doch die Tür war verschlossen. Ganz hinten im dunklen Laden glomm ein Licht. Es war nach Mittag. Der Wind vom Meer leckte an dem feuchten Holz. Angelausrüstungen und
    Bootszubehör, mit dem Chandler nichts anfangen konnte, stapelten sich in dem großen Schaufenster. Ungestört sammelte sich Staub auf den Dingen, die man wohl einst als Dekoration bezeichnet hätte, die sich aber im Lauf von Jahren, vielleicht von Jahrzehnten, in ein trostloses Durcheinander verwandelt hatten. Ein Tennisschläger aus der Zeit von Bill Tilden lehnte an einem Außenbordmotor. Eine Sehne war zerrissen und hatte sich aufgerollt – vor langer Zeit. In der Frühgeschichte des Sports.
    Chandler klopfte an den verrotteten hölzernen Türrahmen.
    »Natürlich keiner zu Hause«, sagte er. »Bruder Kendrick aalt
    sich vermutlich in Florida in der Sonne. Ich wusste, es würde nichts bringen.«
    »Stimmt nicht«, unterbrach Polly sein Jammern. »Du hast gesagt, Bert Prassers Rat ist dir heilig. Sei mal ehrlich zu dir.«
    Zwischen ihren hohlen Händen sah sie in den Laden. »Du bist nur müde und hast es satt, die Tasche zu schleppen. Komm her, Mieze …« Sie klopfte an das Glas. »Miez, Miez, Miez!«
    Chandler stellte die Tasche ab und lief zur Hausecke. Vor sich sah er ein Stück Brachland, das von verfilztem dunkelbraunem 246
    Unkraut bedeckt war. Die Risse im Pflaster des Gehsteigs waren vom Sand zugeweht. Nichts bewegte sich. Der Mann, der draußen auf dem Steg gehockt hatte, tauchte zwischen den verwitterten schwarzen Pfählen am Strand auf. Die Hände hatte er in

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