Arabiens Stunde der Wahrheit
flöÃt Vertrauen ein, obwohl ich sehr wohl spüre, daà er nicht nur als Chauffeur, sondern auch als Ãberwacher und Beschützer mir von den Behörden beigesellt wurde.
Wäredie Witterung freundlicher gewesen, hätte ich Gefallen gefunden an diesem Ausflug nach Süden. Meine Fahrt muÃte offiziell angemeldet sein, denn an den Sicherheitssperren, vor denen sich die Lastwagen stauen, werden wir ohne Kontrolle durchgewinkt. Mit Feisal komme ich überein, daà wir in dem Städtchen Kushti umkehren müssen. Immerhin verschaffe ich mir einen Eindruck von einer Weltgegend, in der das strategische Spiel der europäischen Mächte und deren Rivalität auf dramatische Weise ihre Vergänglichkeit offenbart haben.
Im letzten Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts, während der epische Machtkampf zwischen dem britischen Empire und dem Zarenthron um die Vorherrschaft in Zentralasien, das von Kipling besungene »Great Game«, stattfand, war es in der afrikanischen Sahelzone zu einer ähnlichen Auseinandersetzung zwischen Briten und Franzosen gekommen. Das Wort »Sudan«, das mit »Land der Schwarzen« übersetzt wird, ist heute fälschlicherweise auf das Staatswesen von Khartum zwischen Uganda im Süden, Tschad im Westen, Libyen und Ãgypten im Norden sowie Ãthiopien und Eriträa im Osten reduziert. In Wirklichkeit umfaÃt jedoch »Der Sudan« den gewaltigen Steppen- und Savannengürtel, der sich von der Mündung des Senegal-Flusses am Atlantik über die gewaltige Schleife des Niger-Stroms bis hin zu den Gebirgen Ãthiopiens erstreckt. Zur Zeit der französischen Kolonisation war das Gebiet der heutigen Republik Mali mit den Städten Bamako, Mopti und Timbuktu unter dem Namen »Soudan français« auf den Atlanten vermerkt.
Zwar war auf dem Berliner Kongreà von 1885 die Aufteilung des schwarzen Erdteils durch das Konzert der europäischen Mächte ohne irgendeine Rücksichtnahme auf die Gesetze der Geographie und der ethnischen Zugehörigkeit vorgenommen worden, aber es blieben noch strittige Zonen, zumal am Oberlauf des Nils und in den endlosen Sümpfen des Sudd, des »Bahr el Ghazal«, die GroÃbritannien seinem anglo-ägyptischen Kondominium zuschlagen wollte. Dagegen verwehrte sich die französische Republik, die seit Napoleon ihren Anspruch auf politischen Vorrang im Niltal nicht preisgebenwollte. Die Franzosen hatten mit der Entsendung einer abenteuerlichen Militärmission reagiert. Die kleine Truppe des Capitaine Marchand â bestehend aus zwei Kompanien tiefschwarzer Senegal-Schützen und ihren Sergeants â war unter extremen Strapazen vom Unterlauf des Kongo in nordöstlicher Richtung aufgebrochen, hatte den Lauf des Oubangui genutzt, um in einem erschöpfenden Kraftakt quer durch den Morast bis an das Ufer des WeiÃen Nils vorzudringen. Es ging der französischen Kolonialpolitik darum, quer durch Afrika eine durchgehende Landbrücke zu schlagen zwischen ihren westafrikanischen Besitzungen am Senegal und am Kongo, um jenseits von Niger-Schleife und Tschad-See die Trikolore über dem Oberlauf des WeiÃen Nils zu hissen. Von dort hätte sich dann der Bogen gespannt bis zu der okkupierten Schlüsselposition Djibouti am Ausgang des Roten Meers, von wo eine Bahnlinie bereits zur äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba ausgebaut wurde.
Das ambitiöse Projekt dieser französischen West-Ost-Achse quer durch den schwarzen Kontinent stieà jedoch auf die eiserne Entschlossenheit des britischen Empire, den Besitzstand des Colonial Office durch eine zusammenhängende Ländermasse zwischen Kairo und Kapstadt zu ergänzen, die gallische West-Ost-Penetration durch die eigene Nord-Süd-Expansion zu konterkarieren. Tatsächlich sollte sich das »Great Design« eines Cecil Rhodes und Lord Cromer nach der Niederlage des wilhelminischen Deutschland im Ersten Weltkrieg und der Umwandlung von Deutsch-Ostafrika in ein britisches Mandat des Völkerbundes in vollem Umfang realisieren, ohne daà sich jedoch â wie man rückblickend feststellen kann â ein nennenswerter Gewinn für das Renommee oder die Prosperität des englischen Mutterlandes daraus ergeben hätte.
Im Jahr 1898 â wer erinnert sich noch daran â wäre es beinahe zu einem Kolonialkrieg zwischen GroÃbritannien und Frankreich gekommen. Hauptmann Marchand hatte sich in dem
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