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Arabische Nächte

Arabische Nächte

Titel: Arabische Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Parker
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Seidenumhängen. Ihre weißen Strohhütchen, mit pastellfarbigen Bändern und Frühlingsblumen geschmückt, standen in krassestem Gegensatz zur Jahreszeit. Jede von ihnen wirkte wie ein herausgeputzter Fratz, der sich aus dem Kleiderschrank der Mutter bedient hatte.
    Leider hatten sie sich mit ihrer Körperpflege nicht so viel Mühe gegeben. Laureis Parfüm wirkte in der Enge des Wagens geradezu überwältigend, während die neben ihr sitzende Cynara einen eindeutig unangenehmen Geruch verströmte. Wäre es ein warmer Tag gewesen, Japonica hätte von dem Gemisch, in dem sich gekochter Kohl mit altem Käse verband, Brechreiz bekommen. Sie drückte ihr Kinn in den Umhang und konzentrierte sich auf den Gedichtband, den sie sich in der Bibliothek ausgesucht hatte.
    Gottlob hatten auch die Mädchen Dinge mitgenommen, mit denen sie sich die Zeit vertrieben. Hyacinthe war mit einer Stickarbeit beschäftigt, während Laurel die Modeabbildungen in einer Ausgabe von Lady's Magazine studierte; Cynara und Alyssum vergnügten sich mit einem Kartenspiel. Nur Peony saß still da und drückte eine schäbige Gliederpuppe mit verrutschter Pompadour-Perücke und einem fehlenden Glasauge an sich.
    Nach einer Weile erfasste Peony und Cynara Unruhe, weshalb sie zu flüstern anfingen. Japonica schenkte ihren Blicken und ihrem Gewisper keine Beachtung, bis Peony mit der Frage herausplatzte: »Gibt es wirklich T-tiger, die Tee aus T-tassen trinken?«
    Japonica lächelte. Als sie am Tag zuvor versucht hatte, das
    Kind mit Geschichten aus Persien aus seiner Reserviertheit zu locken, hatten Hyacinthe und Laurel die Neugierde ihrer jüngsten Schwester rasch erstickt. »Ich würde dir die Geschichte ja gern erzählen; aber deine Schwestern sind der Meinung, ich stopfe dir den Kopf mit unsinnigem Geschwätz voll.«
    »Es ist Geschwätz«, giftete Hyacinthe.
    »Mir egal. Ich möchte von den T-tigern hören«, rief Peony aus und kratzte sich am Kopf. »Erzählen, bitte.«
    Unerschütterlich begegnete Japonica Hyacinthes saurer Miene. »Da meine Geschichte Tür dich von wenig Interesse ist, steht es dir frei, mit deiner Handarbeit fortzufahren.«
    Solcherart ausgeschlossen, hatte Hyacinthe keine andere Wahl. »Geschwätz!«, stieß sie nochmals halblaut hervor und vertiefte sich wieder in ihre Tätigkeit.
    »Also, wo waren wir stehen geblieben?«
    Erwartungsvoll beugte Peony sich vor. »An der Stelle, w-wo der Tiger den Tee austrank!«
    »Ach ja. Diese Geschichte erzählte mir meine Mutter, als ich halb so alt war wie du. Wenn das Wetter es zuließ, trank unsere Nachbarin immer im Garten Tee. Eines Nachmittags aber wurde sie von einem Riesenlärm gestört. Ein Diener kam gelaufen und berichtete, dass ihr Lieblingsmungo, den sie aus Indien mitgebracht hatte, in der Speisekammer eine Ratte gestellt hätte.«
    »Was ist ein Mungo?«
    »Ein Tier, das einem englischen Frettchen ähnelt.«
    »Ein Schädling«, verkündete Cynara altklug.
    »Wirklich? In Indien hält man Mungos oft als Haustiere wie Katzen. Mungos sind aber wilder und können sogar Giftschlangen töten.«
    »Schlangen?«, kreischte Laurel. »Was für ein grässliches Thema!«
    »W-wie ging es mit dem Tiger weiter?«, drängte Peony.
    »Ach ja, der Überraschungsgast.« Japonica tippte mit der Fingerspitze auf Peonys Nase. »Als die Dame des Hauses dafür gesorgt hatte, dass die Ratte entfernt wurde, und in den Garten zurückkehrte, sah sie, dass der Kuchen aufgegessen und die Teetasse leer war. Beim Griff nach der Teekanne bemerkte sie eine Krümelspur vom Tisch ins nahe Gebüsch.« Japonica tat, als streue sie mit den Fingern Krümel aus, wohl wissend, dass sie nun fünf Zuhörerinnen hatte, obwohl zwei es nicht zugaben. »Neugierig folgte sie der Spur bis an den Rand des Gartens, wo sie ins Dschungeldickicht spähte. Und weißt du was? Ein goldfarbenes Augenpaar starrte ihr entgegen!«
    »Oje!«, stieß Peony hervor. »Was d-dann?«
    »Nun, ehe die Dame auch nur einen Finger rühren oder aufschreien konnte, verschwanden die Augen.«
    »Sie verschwanden?«, wiederholte Peony enttäuscht.
    »Nur die Augen«, beruhigte Japonica sie. »Denn in diesem Moment wurden im hohen Schilf um den Teich die auffallenden schwarzen Streifen eines gelben Tigerfells kurz sichtbar. Als das Tier die Deckung verließ, sah sie auch, dass er eine ihrer feinsten Leinenservietten umgebunden hatte, auf der ein Fleck aus ihrem eigenen Marmeladentiegel prangte. Daraus konnte sie nun schließen, dass der Tiger in den

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