Arabische Nächte
Raum von ihm fern hielt. »Nun, meine Damen, da haben Sie die Wahrheit klipp und klar!«
»Ich kann es nicht glauben!« Von Hyacinthes Arroganz war nichts mehr zu merken. An ihre Stelle war Angst getreten. »Da steht ja gar nichts von unserer Apanage.«
»Das ist leicht zu erklären.« Mr. Simmons herzhaftes Lachen wirkte auf seine Klientinnen nicht ansteckend. Er spürte, wie ihm unter Miss Hyacinthes starrem Medusenblick, der sogar eine Bulldogge außer Fassung gebracht hätte, der Schweiß ausbrach. »Sie und Ihre Schwestern werden durch den Witwenpflichtteil versorgt.«
»Witwenpflichtteil?« Hyacinthes scharfer und vernichtender Blick glitt zu ihrer Stiefmutter, und Mr. Simmons konnte deren Haltung nur bewundern. »Bekommen wir unsere Apanage nicht auch in Zukunft? Gibt es eine gesonderte Vereinbarung? Sind wir enterbt, Mr. Simmons?«
Unter ihrem stechenden Blick stürzte er sich in eine durch einen einschmeichelnden Ton gemilderte Erklärung. »Diese Härte erübrigte sich, Mylady. Es gab nichts mehr zu vererben.«
»Und wie steht es um Vaters persönliches Vermögen?«
»Hm ja ...« Mr. Simmons rückte seine Gläser zurecht. »Leider ist davon nichts geblieben. Das persönliche Vermögen Seiner Lordschaft wurde von seinen botanischen Ambitionen aufgezehrt. Dennoch liegt kein Grund zur Besorgnis vor. Lady Abbott ist nun Ihr gesetzlicher Vormund.«
»Aber um das zu verhindern, sind wir hier!« Laurel stand auf und schwang ein Ende ihrer langen Boa über die Schulter. »Wir wollen den neuen Viscount Shrewsbury bitten, uns in seine Obhut zu nehmen.«
»Auch ich halte das für die beste Lösung«, warf Japonica zur höchsten Verwunderung der fünf um sie gescharten Mädchen ein.
»Moment! Nicht so hastig, meine Damen!« Diesmal benutzte Mr. Simmons sein parfümiertes Taschentuch, um sich die Stirn zu wischen. Er schwitzte nun ganz offensichtlich!
Der neue Viscount war der Allerletzte, von dem man erwarten konnte, dass er sich der Abbott-Töchter annähme.
Devlyn Sinclair hatte ihm unter Drohungen und mit viel Getöse vorhin einen Besuch abgestattet: Er wolle den Titel nicht! Augenblicke später hatte er eingeräumt, dass er, selbst wenn er den Titel annähme, alle anderen Verpflichtungen des Erbes von sich weisen würde.
Mr. Simmons brummte etwas vor sich hin. Nie würde er vergessen, wie ihn beim Anblick von Lord Sinclairs hässlichem Haken ein Schauder überlief. Allmächtiger! Wenn die Abbott-Schwestern diesen tollwütigen Hund reizten, würde er zweifellos in einer wüsten Raserei alle verschlingen.
Aus Gewohnheit griff er nach der Whiskey-Karaffe auf dem Schreibtisch, nur um mitten in der Bewegung innezuhalten. Hyacinthes missbilligend hochgezogene Braue und ihr eisiger Blick ließen ihn zu seinem Leidwesen auf die gewohnte Stärkung verzichten. Er räusperte sich und suchte nach den passenden Worten, um die Klippe zu umschiffen.
»Das Erbrecht ist eindeutig.« Die älteste >Blume< erhielt von ihm einen nervösen Blick. »Der Viscount hat seinen weiblichen Angehörigen gegenüber keinerlei gesetzliche Verpflichtungen.«
»Das ist herzlos!«, fauchte Hyacinthe.
»Aber, aber«, versuchte er sie zu beschwichtigen. »Deshalb wurde ja für eine Witwe Vorsorge getroffen. Wenn Lady Abbott auf Croesus Hall ihren Wohnsitz nimmt, können Sie dort weiterhin ein angenehmes Leben führen.«
Japonica spürte, wie sie eine Gänsehaut bekam, als fünf Augenpaare Dolche auf sie abschössen.
»Wie kann ein so schreckliches Dokument gültig sein?«
Die tränenerstickte Stimme der schönen Alyssum rührte Mr. Simmons zutiefst. Um sich ihren dankbaren Blick zu verdienen, hätte er gern ein Schlupfloch oder eine Ausnahme gefunden, ja sogar das Recht gebeugt - doch waren ihm die Hände gebunden. Einzig und allein Trost konnte er spenden.
»Das alles bezieht sich nicht auf Sie persönlich, meine Damen. Die Erbfolge wurde vor langer Zeit vom ersten Viscount Shrewsbury festgelegt. Er selbst erlangte den Titel durch sein Eintreten für Charles II. Leider musste er zuvor heiraten. Die Wahl des Königs fiel auf eine Witwe namens Abbott, die ein halbes Dutzend Töchter aus erster Ehe mitbrachte. Diese Umstände sollen den Viscount bewogen haben, in einem Testamentsnachtrag festzulegen, wie mit abhängigen Familienmitgliedern zu verfahren sei.«
Japonica lächelte vor sich hin. Obwohl sie sein Vorgehen nicht billigte, hätte dem Urheber der Klausel ihr Mitgefühl gegolten, wäre er mit Stieftöchtern geschlagen gewesen,
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