Arabische Nächte
aufgebracht als wütend. Fast hätte sie geschworen, dass in seinem Blick sogar ein Lächeln lauerte. Fast.
»Rufen Sie in Augenblicken der Not immer Allah an?«
Beschämt sah sie auf. Sie hatte gehofft, er hätte es nicht gehört. Für einen Menschen, der so vieles seiner Vergangenheit vergessen hatte, entging ihm erstaunlich wenig von der Gegenwart. »Es war ein Ausdruck, den mein Vater benutzte.«
Obwohl er Miene machte, dieses Thema weiterzuverfolgen, sagte er nur: »Sie müssen mir von diesem Gentleman ein andermal erzählen.«
Nicht, wenn sie es vermeiden konnte! »Lord Sinclair, es tut mir schrecklich Leid um Ihre Geschenke. Dankesworte werden Ihrer Güte nicht gerecht.«
Wie spröde und gouvernantenhaft das klang, obwohl sie sich doch im Moment alles andere als steif fühlte. Sie musste sich zurückhalten, den Mann da gegenüber nicht einfach anzuhimmeln. »Obwohl es bis Weihnachten noch acht Tage sind, haben die Mädchen die Pakete sicher schon geöffnet und werden sich bald bei Ihnen bedanken. Sie können sicher sein, dass sie nicht immer so unbedacht handeln.«
»Unbedacht?« Er ließ das Wort über die Zunge gleiten, als sei es ihm fremd und unverständlich. »So nennen Sie diese Horde tollwütiger Hü - Biester, die sich auf mich stürzten?«
»Ja, ihr Benehmen war fürchterlich.« Japonica wollte gestikulieren, merkte aber, dass sie in der Hand ein halb volles Glas hielt, aus dem ein wenig Wein schwappte.
»Sie haben genug!« Er streckte den Arm aus und nahm ihr mit dem Haken das Glas ab. Die Berührung von Stahl an ihrer Haut überraschte sie, und sie zuckte zurück. Diese Reaktion bewirkte, dass sie noch mehr Wein auf den Teppich verschüttete. Leise fluchend stellte er das Glas hinter sich ab.
Wie gebannt musste sie seine Prothese anstarren. Sie wollte fragen, warum er ein so bösartig aussehendes Ding gewählt hatte; doch zeigte sein Gesicht einen so durch und durch abweisenden Ausdruck, dass sie es nicht wagte, sich direkt zu erkundigen.
»Sie brauchen eine Augenklappe«, sagte sie trotzdem laut und hielt die Rechte an ihr Auge. »Haha, und eine Flasche Rum!« Amüsiert von ihrer Kühnheit, gackerte sie.
Er runzelte die Stirn. »Ja, und Sie haben genug getrunken.«
Doch war Devlyn nicht ungehalten. Die meisten Bekannten und ganz besonders Fremde taten alles, um seinem Blick nicht zu begegnen oder seinen Haken betrachten zu müssen. Sie hingegen hatte den Mut, nicht nur hinzusehen, sondern über sein Gebrechen noch zu scherzen. Natürlich war es der Wein, von dem sie ziemlich viel getrunken hatte. Rot und glücklich saß sie da, strahlend vor Gelöstheit. Nicht makellos hübsch, besaß sie mehr als Schönheit... nun, er fand sie bezaubernd.
Er setzte sich ihr gegenüber, entschlossen, seinen Plan in die Tat umzusetzen. »Dann habe ich also Ihrer kleinen Familie, wenn auch unbeabsichtigt, einen Gefallen getan.«
Japonica nickte etwas wackelig, da sie nicht mehr ganz sicher war, wo ihr Kopf auf den Schultern saß. Wieso hatte sie ihn für streng und hart gehalten? Er war recht hübsch, wenn auch nicht auf modisch-romantische Weise. Wenn er nur nicht immer die Stirn gerunzelt hätte, wäre er so attraktiv wie der Hind Div, entschied sie. »Die meisten Männer ahnen nicht, wie günstig es sich auf die Verfassung einer Frau auswirkt, wenn ihr die Aufmerksamkeit eines Gentleman gilt.«
Falls ihre Augen sie nicht trogen, hatte seine Miene sich fast zu einem Lächeln entspannt. Nicht ganz freundlich vielleicht, aber gewinnend. »Ich nehme an, das soll heißen, ich hätte Sie falsch beurteilt«, gestand sie murmelnd ihren Trugschluss ein.
»Bedeuten ein Stückchen Schleife und Spitze so viel?«
»Für ein junges Mädchen gibt es kein schöneres Geschenk als eine gewisse Extravaganz, damit sie vor ihren Freundinnen glänzen kann.«
»Ich verstehe.« Er schien nach den richtigen Worten zu suchen. »Die Geschenke waren samt und sonders für Sie bestimmt.«
»Für mich?« Sie legte den Kopf schräg, überzeugt, dass ihr Gehirn sie nun ebenso im Stich ließ wie ihre Reflexe. »Sie brachten Geschenke für mich?«
Der Blick, den sie ihm schenkte, weckte in Devlyn Unbehagen - so hingerissen und dankbar wirkte sie. Das war nicht die Wirkung, die er beabsichtigt hatte. Dankbarkeit, echte Dankbarkeit, bedingte Zuneigung, aber ebenso Verpflichtung ... edle Gefühle wollte er nicht. Seiner Großzügigkeit lag reine Selbstsucht zu Grunde. »Die Geschenke bezweckten etwas.«
»Sie dienten einem
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