ARALORN - Der Verrat (German Edition)
ich an deiner Meinung interessiert wäre, hätte ich dich dem Verhörmeister meines Vaters übergeben und fertig.«
Unschuldig hob er seine Augenbrauen. »Ich wollte nur helfen.«
Sie schnaubte verächtlich, wirbelte im nächsten Moment herum und versetzte der Bank einen Hieb, der eigentlich Kleinholz aus ihr hätte machen sollen, doch sie blieb völlig unversehrt.
»Ich glaube, das bringt nichts«, sagte sie. »Es wird überhaupt nicht wärmer, und als ich es gegen den ae’Magi benutzt hab, war es so heiß, dass ich es nicht mal mehr halten konnte.«
»Also gut«, entgegnete Wolf. »Probieren wir es anders. Ich versuche auf dich einen Zauber zu wirken, während du das Schwert zwischen uns hochhältst.«
Aralorn runzelte die Stirn. »Korrigier mich, wenn ich falsch liege, aber ist das nicht ein bisschen leichtsinnig? Wenn es so deinen Vater getötet hat, könnte es das Gleiche mit dir tun.«
Er erwiderte nichts.
Plötzlich musste sie an den Ausdruck in seinem Gesicht denken, als er in ihrem Traum die Blitze auf sich herabbeschworen hatte. Es war bloß ein Traum , sagte sie sich wütend.
»Hol dich die Pest, Wolf«, sagte sie so sanft, wie sie vermochte. »Es ist nicht wichtig genug, um deswegen dein Leben aufs Spiel zu setzen. Wenn das Schwert bei den Zaubern nicht funktioniert, dann hilft es uns hier nicht weiter.«
»Aber vielleicht funktioniert es bei dem Schattending, das wir beide gesehen haben«, erwiderte er. »Dann könnten du und ich die Bannzauber, die für den Zustand deines Vaters verantwortlich sind, möglicherweise näher untersuchen.«
»In Ordnung«, sagte sie. »Dann versuchen wir das. Jetzt gleich?«
Wolf schüttelte den Kopf. »Warten wir bis morgen. Es gibt eine ganze Reihe von Geschöpfen, die durch die aufgehende Sonne geschwächt werden – und außerdem bin ich müde.«
Aralorn nickte und steckte Ambris wieder zurück in die Scheide, bevor sie es im Kleiderschrank verstaute. Sie sah zu, wie Wolf die Zauber, mit der er die Bank belegt hatte, wieder aufhob, wobei er ein ziemliches Lichtspektakel veranstaltete. Sie streckte ihren sechsten Sinn aus, der es ihr ermöglichte, Magie zu erkennen und zu wirken; sie konnte die sich verändernden Kräfte spüren, wenn auch nicht berühren – was er benutzte war vom Ursprung her ganz und gar menschlich.
Später, als das einzige Licht im Raum, das von der Glut des Feuers ausging, erlosch, schmiegte sich Aralorn enger in Wolfs Arme.
Alles wird gut , dachte sie inbrünstig.
Tief in der Nacht, lange nachdem die Bewohner der Burg sich zum Schlafen niedergelegt hatten, stahl sich ein Mann aus den Schatten im Trauersaal und schritt hinüber zu dem verhängten Alkoven, in dem der schlummernde Löwe aufgebahrt war. Sein Weg wurde von einigen wenigen Fackeln erhellt, die brennend in ihren Wandhalterungen stecken gelassen worden waren. Er zog den Vorhang zurück und wollte die Kammer betreten, musste jedoch feststellen, dass es nicht ging.
Behutsam legte er eine Hand an die Barriere aus Luft und Erde, die Wolf errichtet hatte.
»Ja«, sagte er leise, »er ist hier.«
Die magische Abwehr würde menschliche Besucher fern halten, er selbst aber war mehr.
Die große, in eine Robe gehüllte Gestalt löste sich in Finsternis auf und kam in der Kammer wieder zum Vorschein. Noch bevor sie wieder gänzlich Form angenommen hatte, glitt neben dem reglosen Mann, der auf der Totenbahre lag, ein Schatten zu Boden.
»Ah, meine Schöne«, flüsterte der Eindringling. »Es ist gut. Ich weiß, dass du niemals dafür bestimmt warst, seinen Kräften Trotz zu bieten. Ich werde vergesslich. Ich habe nicht daran gedacht, dass er die Gestalt eines Wolfs annehmen kann, sonst wären wir auf ihn vorbereitet gewesen.« Der Schatten strich ihm wie eine Katze um die Beine und gab dabei ein leises Fiepsen und Fauchen von sich. »Halte den Löwen fest, Kleines. Wir werden sie zwingen, zu uns zu kommen.«
4
Mit der Mühelosigkeit eines erfahrenen Liebhabers fand der eisige Wind seinen Weg durch Aralorns schweren, wollenen Umhang, und trotz der vielen Kleidungsstücke, die sie anhatte, fröstelte sie. Obwohl die Feste kaum außer Sicht war, schmerzten ihre Handknöchel schon jetzt von der bitteren Kälte. Sie brauchte jedes Mal Wochen, bis sie sich wieder an den klirrenden Winter gewöhnt hatte, der im Norden herrschte.
Wolf, gut gewärmt unter seinem dichten Pelz, beobachtete ihre Versuche, ihren Umhang zu bändigen, und fragte: »Warum wolltest du unbedingt laufen? Ein
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