ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
als er den Drachen erblickte. Sofort zückte er das Schwert seines Großvaters und hielt es in Bereitschaft. Nicht ohne einen Anflug von Galgenhumor dachte Aralorn, dass sein weit imposanteres Schwert den Drachen gewiss viel eher aufhalten würde als ihres …
»Was meint Ihr, wie groß das Biest ist«, fragte Myr flüsternd.
»Nicht so groß, wie es schien, als es direkt über mir war, aber allemal groß genug, dass ich’s nur ungern auf einen Kampf ankommen lassen würde«, flüsterte Aralorn zurück.
Der Drache unterbrach sein Mahl, schaute zu ihnen herüber und grinste – ein beeindruckender Anblick, denn sein Grinsen wirkte mindestens so bedrohlich wie Wolfs.
Myr erstarrte. »Er versteht uns.«
Aralorn nickte zögernd. »Na ja, ich schätze mal, wenn’s ans Sterben geht, ist ein Drache vielleicht nicht die schlechteste Wahl. Mit ein bisschen Glück springen sogar ein oder zwei Heldenballaden dabei heraus. Stellt Euch nur vor, wir sind seit Generationen die ersten Menschen, die einen Drachen zu sehen bekommen.«
»Er ist wunderschön«, sagte Myr. Gleichsam wie zur Zustimmung kräuselte sich durch die blauen Schuppen des Drachen ein purpurner Glanz.
»Seht Euch den Farbwechsel an«, sagte Aralorn. »Magie, schätze ich. Wenn er will, kann er sich fast unsichtbar machen. Dürfte nicht einfach sein, mit ihm fertig zu werden.«
»Nicht wahr? Da fragt man sich unwillkürlich, wieso es nicht mehr von ihnen gibt?«, bemerkte Myr.
Nachdem er den Esel vertilgt hatte, richtete der Drache sich auf und streckte sich. Verschiedenfarbige Punkte tanzten auf seinen nun nicht mehr vollends blauen Schuppen. Allein seine Zähne und die Krallen an seinen Füßen und den Rändern seiner Schwingen blieben unverändert schwarz. Als er sich genug gereckt und gestreckt hatte, setzte er sich fast gemächlich Richtung Höhleneingang in Bewegung.
Myr trat aus dem dürftigen Schutz der Felsöffnung heraus und in das schwindende Licht. Aralorn tat es ihm gleich. Irgendetwas an Myr schien das Interesse des Drachen zu erregen: Er blieb stehen, wiegte den grazilen Kopf hin und her und bog dann seinen langen Schwanenhals vor. Wie Edelsteine funkelnde Augen glitzerten zuerst grün und dann golden. Im nächsten Moment riss er ohne Vorwarnung den Rachen auf und spie Flammen auf Myr, so genau gezielt, dass Aralorn nicht einmal angesengt wurde, obwohl sie doch keine Armlänge von dem König entfernt stand.
Myr, der immun gegen Magie war, blieb unversehrt (wenngleich man dies von seinen Kleidern nicht behaupten konnte). Die Hand, die sein Schwert hielt, bewegte sich nicht, auch wenn sein Griff etwas fester war, als er hätte sein müssen. Bei den Göttern, er war fürwahr kein Feigling, dieser König von Reth. Aralorn lächelte in grimmiger Anerkennung.
Der Drache zog seinen Kopf zurück und sagte in einem Rhetisch, das Aralorn gleichermaßen spürte wie hörte: »Drachengesegneter, dein Hof ist weit entfernt. Warum störst du mich hier?«
Myr, mit kaum mehr als zerfetzten Stoff- und Lederresten am Leib, schaffte es irgendwie, nicht weniger majestätisch und würdevoll als der Drache auszusehen. »Ich bitte um Verzeihung, falls wir deinen Groll erregt haben. Nicht dir gilt unser Krieg.«
Der Drache gab einen amüsiert klingenden Laut von sich. »Das hätte ich mir auch kaum vorstellen können, Prinzlein.«
»König«, verbesserte ihn Aralorn, die befand, dass die Missachtung, die der Drache zeigte, gefährlich werden konnte.
»Wie meinen?« Der Drache hatte seine Stimme in einer Weise gesenkt, bei der es einem feigeren Gemüt vermutlich eiskalt den Rücken hinuntergelaufen wäre.
»Er ist König von Reth und kein Prinzlein«, entgegnete Aralorn trotzig und hielt dem Blick des Drachen stand.
Der Drache wandte sich wieder Myr zu und sagte in leicht belustigtem Tonfall: »Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Herr König. Es scheint, als hätte ich Unmut erregt.«
Myr neigte den Kopf. »Sie sei dir gewährt, Drache. Ich glaube, wir schulden dir Dank, dafür, dass du die Uriah vertrieben hast, die unser Feind gegen uns ausgesandt hat.«
Der Drache reckte fauchend den Kopf, und seine Augen erglühten blutrot. »Euer Feind ist der ae’Magi?«
»Ja«, antwortete Myr mit einer Vorsicht, die Aralorn teilte.
Einen Augenblick stand der Drache unbewegt da, so als würde er nachdenken, dann sagte er: »Die Schuld, in der das Drachengeschlecht bei denen eures Geblüts steht, ist alt und gebrechlich, sogar nach unseren Maßstäben. Vor
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