ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
Aralorn ungeniert an eine der hüfthohen Einfassungen des Rings. Jetzt rächten sich ihre Gefangenschaft und der lange Heimritt in einem eklatanten Mangel an Kondition.
Sie erwog, sich irgendeine Erklärung für den Burggrabengestank zu überlegen, entschied dann aber, dass er ruhig wissen konnte, was sie gemacht hatte. Kai und Talor stellten nicht nur keine Fragen, sondern wussten auch, wann es an der Zeit war, den Schnabel zu halten. Außerdem war es kein Geheimnis mehr, jetzt, da sie wieder da raus war. Und es würde ihr guttun, mit Talor über das, was sie herausgefunden hatte, zu reden. Allerdings würde sie nicht so weit gehen, ihm die Sache mit Ren zu erzählen. Sie musste erst mal selbst in Ruhe darüber nachdenken.
»Sofern du in letzter Zeit nicht auf der Burg des ae’Magi gewesen bist«, sagte sie, »dürfte er dir vermutlich nicht allzu vertraut gewesen sein. Ich wünschte nur, der ae’Magi selbst wäre nur halb so rechtschaffen und wohlriechend wie sein Burggra–« In Fleisch und Blut übergegangene Reflexe waren das Einzige, was sie ihren Waffenarm hochreißen ließ, um ihr Gesicht vor seinem Hieb zu schützen. Die bloße Gewalt des Schlags betäubte ihre Hand, da sie den Stab nicht mit richtigem Griff gehalten hatte.
Sie duckte sich unter seinem Arm hinweg, um in die Mitte der Arena zu gelangen und sich so mehr Bewegungsspielraum zu verschaffen. »Was soll das?«, schrie sie ihn an.
Talors Gesicht zuckte vor Zorn, als er ihr nachsetzte. »Wie kannst du es wagen, du nichtswürdige Hündin? Wie kannst du es wagen, deine Zunge gegen den ae’Magi zu spitzen?«
Es war seine Wut, die sie rettete, die die Koordinierung seiner Bewegungen und die Präzision seiner Angriffe schwächte. Wieder und wieder konnte sie seine grimmigen Hiebe ablenken oder blocken.
So eine ungehemmte Raserei sah ihm überhaupt nicht ähnlich: Ein guter Kämpfer strebte vor allem und zuallererst nach Kontrolle. Es war nicht schwer, zu konstatieren, dass hier irgendetwas ganz entschieden nicht stimmte. Aber Talors unablässig und rücksichtslos auf sie eindonnernden Schläge ließen ihr keine Zeit für irgendwelche Analysen oder Spekulationen. Aralorn klärte ihre Gedanken und konzentrierte sich darauf, am Leben zu bleiben.
Schließlich erwischte einer seiner Schwünge sie hart in der Kniekehle, und sie stürzte nach hinten, während ihre Beine mit seinem Stab in die Höhe gehievt wurden. Irgendwie schaffte sie es, sich über die Schulter abzurollen und blitzschnell wieder auf die Füße zu kommen. Im gleichen Moment, in dem sie aufrecht stand, riss sie den Stab zu ihrer Verteidigung hoch und versuchte, Kopf und Oberkörper zu schützen.
Bei der Rolle rückwärts hatte sie ihren Gegner gezwungenermaßen aus dem Blick lassen müssen, und sie sah gerade noch die zuckende Bewegung, als sein Stab unter ihrer Verteidigung hindurchstach. Anstatt zu einem von oben geführten Schlag hatte Talor sich für einen direkten Stoß von vorne entschieden. Das Stabende traf Aralorn im Brustbereich und presste ihr die Luft aus den Lungen. Ohne die Schutzpolster, die sie trug, hätte er ihr mit Sicherheit etliche Rippen gebrochen. Und hätte sein Stab sie nur ein paar Fingerbreit höher erwischt, wäre die Sache fatal ausgegangen, Polster hin oder her.
Sie warf sich mit aller Kraft zur Seite, versuchte aus seiner Reichweite zu gelangen. Es war ein Verzweiflungsmanöver, bei dem sie ihrem Gegner den ungeschützten Rücken darbot, und ihr war klar, dass sie nach dem Stoß, den sie gerade eingesteckt hatte, viel zu langsam agierte. Noch während der Bewegung erwartete sie seinen Schlag – wusste, dass sie keine Chance hatte, der Wucht des metallbeschlagenen Stabs zu entkommen.
Der Schlag kam nicht. Sie vollendete die Abtauchrolle und sprang wieder auf die Beine, die Waffe angriffsbereit erhoben und mit rasselndem Atem.
Talor stand an seinen Stab gelehnt in der Mitte des Rings. Er schüttelte den Kopf wie ein nasser Hund, dann blickte er in benommener Fassungslosigkeit zu ihr auf. »Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist … bist du unverletzt, Aralorn?«
»Scheint so.« Sie keuchte die Worte hervor, ihr Zwerchfell spielte noch immer nicht mit. »Mach dir … keine Sorgen. Ist nichts passiert, und ich … hab ein bisschen Übung … gebraucht. Deine Arbeit mit dem Stab hat sich … um einiges verbessert, aber in deinen Parierschlägen bist du … nach wie vor etwas langsam. Achte auf deine Hände. Du hältst den Stab zu fest, wenn du
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