ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
einer weitaus respektableren Gesellschaft eine ungesunde Luft beschert hatten als der, die sich gegenwärtig in dem Gasthaus befand. Die angeschlagenen Krüge auf den Tischen waren gefüllt mit irgendeinem hochalkoholischen Gebräu. Die Tischplatten selbst waren schwarz von Fett und anderen, undefinierbaren Substanzen.
Eine Schankmaid eilte zwischen den Tischen vergnügt von hierhin nach dorthin, füllte Krüge auf und hatte offensichtlich Gefallen an den Grapschereien, die zu der Arbeit einer jeden Kellnerin gehörten. Sie war nicht so reinlich, wie es vielleicht geboten gewesen wäre, aber andererseits war das auch sonst niemand hier. Auch war sie nicht mehr so jung, wie sie vorgab zu sein, aber das schummrige Licht war freundlich zu ihrem ergrauenden Haar, und weil sie dem männlichen Geschlecht so rückhaltlos zugetan war, wurde ihr vieles verziehen.
Die einzige andere Frau im Raum bearbeitete mit einem Wischmopp den rauen Boden. Es hätte vielleicht mehr gebracht, wenn sowohl das Wasser wie der Putzlumpen nicht schmutziger als der Boden gewesen wären. Davon abgesehen trug ihr nasser Rocksaum seinen Teil zur Beseitigung des Drecks bei.
Kam sie einmal zu nah an einen der besetzten Tische, wich sie den wie zufällig in ihre Richtung wandernden Händen flink aus. Nicht, dass es viele gewesen wären. Die meisten Besucher waren Stammgäste und wussten, dass der eigene Kopf, wurde man zu aufdringlich, wahrscheinlich mit dem Putzeimer Bekanntschaft machen würde.
Das schmutzig blonde Haar war in ihrem Nacken zu einem wirren Knoten gebunden. Und ihr reizloses Gesicht wurde durch den missmutigen Ausdruck, der ihre dünnen Lippen beherrschte, während sie den Mob schwang, nicht schöner.
»Missmutig« war noch ein milder Ausdruck dafür, wie Aralorn sich im Augenblick fühlte.
Einen Monat nachdem sie von der Burg des ae’Magi zurückgekehrt war, hatte Ren sie in sein Dienstzimmer zitiert und ihr eröffnet, dass er sie mitten ins Nirgendwo zu entsenden gedachte, damit sie die dort lebenden Einheimischen im Auge behielt. Der einzige Grund, den sie sich für einen solch undankbaren Auftrag vorstellen konnte, war, dass Ren ihr nicht mehr vertraute; etwas, das er mit den meisten anderen in Sianim gemein hatte. Der Vorfall zwischen ihr und Talor auf dem Übungsplatz hatte irgendwie die Runde gemacht, und inzwischen wurde Aralorn sogar von ihren engsten Freunden gemieden, als hätte sie die Blattern. So oder so, Ren hatte keinerlei Interesse daran gehabt, über die Sache zu diskutieren.
Einen geschlagenen Monat hatte sie jetzt mit Bodenschrubben, Tischescheuern und dem Herumbringen von billigem Bier zugebracht. Die goldenen Jahre mochten vielleicht vorbei sein, gleichwohl lief das Geschäft im Gasthaus wegen der weit verbreiteten Trunksucht und Neigung zur Untreue unter den Bewohnern beider Dörfer noch gut. Hätte sich die Schenke inmitten einer betriebsamen Stadt befunden, wäre Aralorn vielleicht imstande gewesen, für Ren ein paar nützliche Informationen aufzuschnappen. Die Herberge wurde jedoch in der Hauptsache von Kesselflickern und versoffenen »Familienvätern« aufgesucht. Ab und an verirrte sich auch ein besonders heruntergekommener Wegelagerer hierher – die fähigeren und härteren Jungs aus diesem Metier waren längst zu neuen, ertragreicheren Ufern aufgebrochen.
Das Aufregendste, das sich hier seit Aralorns Eintreffen ereignet hatte, war, dass die Tochter des Dorfoberhauptes von Kestral mit jemandem namens Harold die Ratte durchgebrannt war. Als der Wegelagerer dann das nächste Mal eingekehrt war, hatte er noch elender ausgesehen als sonst und sich in Begleitung einer Frau befunden, die gut fünfzehn Zentimeter größer gewesen war als er. Während ihres gesamten Aufenthaltes hatte sie ohne Unterlass auf den armen Kerl eingekeift, und Aralorn war zu dem Schluss gekommen, dass er dieser mysteriöse Harold sein musste, und hatte ihm ihr stummes Beileid ausgesprochen.
Eigentlich hätte sie unter normalen Umständen mit ihrem Auftrag ganz zufrieden sein können, nicht zuletzt, weil sie ihrer Sammlung von Geschichten ein paar neue hatte hinzufügen können – dank der Pelzjäger, denen sie begegnet war. Wäre da nicht das zweifelhafte Privileg zu wissen, dass der ae’Magi es darauf abgesehen hatte, die Macht der Magier, die sie vor den Magierkriegen besessen hatten, wiederherzustellen – und diese Macht allein in seiner Person zu konzentrieren.
Sie sollte irgendetwas tun, doch sie wusste beim besten
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