ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
Willen nicht, was. Wenn sie sich ohne Order oder Not von diesem Einsatzort entfernte, war die Verbannung aus Sianim noch die geringste Strafe, die sie zu erwarten haben würde. Wahrscheinlicher war, dass man sie hängte, falls man sie aufgriff.
An diesem Abend war ihre Ruhelosigkeit besonders schlimm. Vielleicht hing es damit zusammen, dass die Frau des Wirts krank war und Letzterer sich auch noch um die Küche kümmern musste – was zur Folge hatte, dass das Essen noch ungenießbarer war als sonst. So blieb den meisten nichts anderes übrig als zu saufen, was wiederum dazu führte, dass sich heute mehr Gäste denn je auf den Boden erbrachen. Allerdings gehörte der Alkohol, den sie ausschenkten, nicht gerade zu den edelsten Tropfen und war angesichts des Zustands der armen Irren, die ihn tranken, mit hoher Wahrscheinlichkeit schwach giftig.
Als neuester Schankfrau fiel die Aufgabe des Aufwischens Aralorn zu. In Anbetracht der Gerätschaften, die man ihr in die Hand gedrückt hatte, bestand diese jedoch weitestgehend darin, die Sauerei so lange hin und her zu schieben, bis sie sich mit dem Rest des Drecks auf dem Boden vermengt hatte. Die Lauge im Eimer brannte auf ihrer Haut, der Gasthausgestank in ihrer Nase.
Sie tauchte den übel riechenden Mopp in das noch übler riechende Wasser in ihrem Eimer und malte sich aus, was sie mit Ren anstellen würde, wenn sie ihn das nächste Mal sah. Dann auf einmal, während sie, in Gedanken eine mehr oder weniger fröhliche Melodie summend, tapfer weiterwischte, wurde es in dem Raum mucksmäuschenstill.
Verwundert hob Aralorn den Kopf und sah, dass zwei Männer eingetreten waren. Ihre prächtig-höfische Kleidung wirkte mehr als nur ein wenig unpassend in der schmutzstarrenden, schummrigen Taverne.
Dennoch waren sie augenscheinlich keine Edelmänner, sondern Knappen oder Kuriere vom königlichen Hof, wie sie üblicherweise eingesetzt wurden, um Nachrichten vom Hof zum Landbesitz eines Adligen zu überbringen. Was sie in dieser lausigen Herberge verloren hatten, wusste der Himmel. Unauffällig arbeitete sich Aralorn etwas weiter nach vorn und brachte sich in eine günstigere Position, damit sie die Geschehnisse genauer beobachten konnte.
Einer der Kuriere blieb an der Tür stehen. Der andere schritt in die Mitte des Raums. Er sprach langsam, damit sein ungewohnter höfischer Akzent die Nordländer nicht daran hinderte, seine auswendig gelernt Botschaft zu verstehen.
»Seiet gegrüßt, ihr rechtschaffenen Leut. Wir bringen euch betrübliche Kunde. Vor zwei Wochen ging Myr, euer König, in Verwirrung gestürzt durch den Tod seiner Eltern, mehrere Männer seiner eigenen Palastgarde an und tötete sie. Entsetzt und außer sich ob seines eigenen Tuns, bemächtigte er sich eines Rosses und sprengte zum Tor des Königsschlosses hinaus. Auf Ansuchen der Versammlung hat Geoffrey ae’Magi eingewilligt, bis König Myr gefunden und wieder bei Sinnen ist, die Regentschaft von Reth zu übernehmen. Der ae’Magi bittet das Volk von Reth, Ausschau zu halten nach seinem König, auf dass eine Heilbehandlung zu erfolgen vermag. Da der König nicht bei klarem Verstande ist, könnte es bedauerlicherweise vonnöten sein, ihn gewaltsam festzuhalten. Indessen dies eine Freveltat darstellt, die mit dem Tode geahndet wird, hat der Regent angesichts der Umstände einen Straferlass gewährt. Wenn der König zum ae’Magi gebracht werden kann, besteht Möglichkeit auf seine Heilung. Als treue Untertanen ist es eure Pflicht, nach Myr zu suchen.
Der ae’Magi sieht wohl, dass eine Reise zum Königsschloss mit gewissen Aufwendungen verbunden ist, daher werdet ihr für den Dienst, den ihr eurem König erweist, gebührlich entlohnt. Tausend Taler sollen demjenigen gehören, der König Myr zur Hauptstadt bringt oder dem Hof eine Mitteilung schickt. So will es der Regent Geoffrey ae’Magi, dessen Wort ich bevollmächtigt bin den Bürgern von Reth zu verkünden.« Der Kurier wiederholte seine Botschaft noch zwei Mal, dann verbeugte er sich und verließ mit seinem Begleiter die Schenke.
Tausend Taler waren mehr, als ein Bauersmann oder Gastwirt in einem ganzen, von hartem Tagewerk erfüllten Leben verdiente. Gebührlich entlohnt, bei meinem schmerzenden Kreuz , dachte Aralorn, wenn das kein legaler Winkelzug war, ein Kopfgeld auf Myr auszusetzen, was dann?
Während sie weiter zwischen den Tischen umherwischte, bekam sie einige Gesprächsfetzen mit. Die Leute schienen einhellig der Auffassung zu sein, dass
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