ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
sowieso längst davon. Befürwortet es gar, genau wie diese Narren in der Schenke – aus den gleichen Gründen.« Sie krallte ihre Hand fester in das Pferdehaar und flüsterte: »Ich denke, dass wir uns auf die Suche nach Myr machen sollten, was meinst du? Myr ist immun gegen Magie – das macht ihn zum idealen Helden im Kampf gegen den ae’Magi. Eine verstoßene Spionin aus Sianim ist da auf verlorenem Posten, aber vielleicht kann ich mit Strategie etwas helfen. Zumindest aber kann ich Myr erklären, warum auf einmal alle gegen ihn sind.«
Sie hörte ein Geräusch – erstarrte für einen Moment, aber es war nur der Wind, der an einem losen Brett in den Stalltüren rüttelte.
Dennoch senkte sie ihre Stimme zu einem Flüstern. »Ich wünschte nur, ich hätte irgendeine Möglichkeit, Verbindung mit Wolf aufzunehmen. Wie ich ihn kenne, könnte er uns wahrscheinlich genau sagen, wohin Myr gegangen ist.« Wolf war ein wahrer Quell an nützlichen Informationen, vorausgesetzt, er ließ sich dazu herab, sie zu teilen. »Gut möglich, dass wir eine ganze Weile brauchen werden, um Myr zu finden.« Sie machte eine Pause, dann lächelte sie. »Aber wenn ich schon hinausziehe und mich mit aussichtslosen Tätigkeiten befasse, dann suche ich lieber nach Myr, als noch einen weiteren Tag in diesem Drecksloch den Boden zu schrubben. Fangen wir also mit diesen Kurieren an und schauen mal, was die so wissen.«
Schimmer hatte mittlerweile seine Karotte verputzt und stieß sie ungeduldig an – er wollte mehr. »Nun, Schimmer, was denkst du? Sollen wir unseren Posten aufgeben und auf Jagd nach vermissten Königen gehen?« Der graue Kopf drückte sich begeistert gegen ihre Hand, als sie eine besonders juckende Stelle erwischte: Es sah ganz genauso aus, als würde er nicken.
Die Ruhelosigkeit, die sie geplagt hatte, war auf einmal wie weggeblasen. Wie ein Jagdhund, der von der Leine gelassen wurde, hatte sie endlich ein Ziel. Aralorn stahl sich in die Küche und freute sich, dass niemand dort war – sie hörte, wie sich der Gastwirt in der Schankstube mit irgendjemandem stritt. Es klang so, als wäre er noch eine Zeitlang beschäftigt, was ihr ausgesprochen recht war.
Sie fand einen Lumpen, der beinahe sauber war, und machte daraus ein Bündel. Dort wanderte hinein, was man an Reiseproviant so brauchte: Brot, Käse, gesalzenes Dörrfleisch.
Alsdann begab sie sich leise und unbemerkt die Treppe hinauf und schlich sich in das Zimmer, das einmal dem einzigen Sohn des Gastwirts gehört hatte. Er war im letzten Winter an irgendeiner Krankheit gestorben, und niemand hatte es seither übers Herz gebracht, seine Stube leerzuräumen. Alles in dem Raum war sauber und ordentlich – und sie konnte sich des plötzlichen Gedankens nicht erwehren, dass es möglicherweise noch einen anderen Grund gab für die schlechten Zeiten, welche die Herberge derzeit beklagte. Leise murmelnd gab sie eine Erklärung dafür ab, was sie hier wollte und warum, nur für den Fall, dass der Geist des jungen Burschen hier herumlungerte.
Dann öffnete sie die Truhe am Fußende des Betts und fischte einen Umhang, ein Paar Lederhosen und eine Jacke heraus: unauffällige Kleidung, wie geschaffen für die Reise. Am Boden der Truhe fand sie je ein Paar Reithandschuhe und Reitstiefel. Sie wickelte ihre gesamtes Diebesgut in den Umhang und eilte aus dem Zimmer und die Leiter zu ihrer Dachstube hinauf.
Dort holte sie ihr Schwert aus seinem Versteck in dem Strohsack – sie schlief grundsätzlich auf dem Boden, weil dort die Wahrscheinlichkeit, von Ungeziefer heimgesucht zu werden, geringer war. Bevor sie die Scheide unter ihren Gürtel schob, zog sie das Schwert gewohnheitsmäßig heraus, um sich davon zu überzeugen, dass die Klinge weder gesäubert noch geschärft werden musste. Sie hatte das Schwert vor vielen Jahren in einer Abstellkammer auf der Burg ihres Vaters gefunden. Der rötlich-goldene Schimmer des Metalls hatte sie fasziniert. Außerdem war es das einzige Schwert in dem Raum gewesen, das von der Länge her für sie in Frage gekommen war; der Familienzweig ihres Vaters neigte zu großem und muskelbepacktem Körperbau, was beides auf sie nicht zutraf. Abgesehen von Schimmer, war das Schwert das Einzige, was sie von Zuhause mitgenommen hatte.
Sie war durchaus keine geborene Schwertkämpferin. Aber durch Übung und noch mehr Übung hatte sie es immerhin so weit gebracht, dass sie die Waffe mit einigem Geschick gegen solches Geschmeiß wie die Uriah einsetzen
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