ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
dorthin, von wo immer er gekommen war, zurückgeschickt worden war.
Es folgte ein Moment der Stille, dann sprach die Stimme einer dritten Person.
»Das war ja einfach.« Es klang fast ein bisschen enttäuscht. Außerdem klang sie jung und vornehm, wahrscheinlich aus dem einfachen Grunde, weil Myr beides war.
Aralorn hätte nicht im Traum gedacht, dass sie ihn so rasch finden würde, nicht mal einen halben Tagesritt von der Herberge entfernt. Es traf sich zu gut. Hatte Ren am Ende gewusst, dass hier draußen irgendetwas vorging? Hatte es sie deshalb an den Arsch der Welt abkommandiert? Falls dies der Fall war, würde sie ihre gesammelten Verwünschungen von Monaten zurücknehmen müssen.
»Hoffentlich kommt unser gemeinsamer Feind nicht auf die Idee, sämtliche fahrenden Händler, die in Reth herumreisen, zu befragen.« Etwas an der Stimme des Magiers kam ihr vertraut vor, aber der seltsame Akzent verunsicherte sie. Eigentlich hätte sie in der Lage sein sollen, den Akzent einzuordnen, sie kannte alle gängigen Sprachen – genau darum hatte Ren sie seinerzeit abgezogen aus der Schar gewöhnlicher Soldaten.
»Er würde nicht viel herausbekommen, auch wenn er es täte. Der Kaufmann hat keinen Schimmer, wohin Ihr ihn geschafft habt.«
Der Magier grunzte. »Er wird wissen, dass er im Norden war, wegen der Kälte. Er wird wissen, dass es in den Bergen war, wegen der Höhle. Das ist mehr, als der ae’Magi erfahren darf.«
Myr gab keine hörbare Antwort; aber er musste genickt haben, denn als er wieder das Wort ergriff, war es zu einem anderen Thema. »Was war das, was Ihr da auf dem Boden gefangen habt?«
»Nun ja«, erwiderte der Magier. »Nur ein … Spitzel. Klein, aber nichtsdestoweniger pfiffig.« War das Belustigung, die sie da aus seiner Stimme heraushörte?
Der Beutel wurde geöffnet, und im nächsten Moment sah sie sich an ihrem eigenen Schwanz baumelnd den begutachtenden Blicken der beiden Männer ausgesetzt. Sie zappelte herum und biss mit aller Mäusemacht in die Hand, die sie hielt. Der Magier lachte; gleichwohl drehte er seine Hand herum, sodass sie bequem auf der Innenfläche kauern konnte.
»Eure Lordschaft, darf ich Euch Lady Aralorn vorstellen, gelegentlich als Spionin im Auftrag Sianims unterwegs.«
Sie war so geschockt, dass sie beinahe von ihrem Hochsitz heruntergeplumpst wäre. Woher wusste er, wer sie war? Es war ja schließlich nicht so, als wäre sie einer von diesen berühmten Generälen, die jedermann kannte. Tatsächlich versuchte sie als Spionin, ihren Namen stets aus dem Brennpunkt des öffentlichen Interesses zu halten. Und niemand, niemand wusste, dass Aralorn sich in eine Maus verwandeln konnte.
Dann traf sie die Erkenntnis wie ein heftiger Schlag. Jetzt, da sie sich nicht mehr in dem geräuschdämpfenden Beutel befand, erkannte sie die Stimme. Unter der Maske klang sie leicht verändert. Eine menschliche Kehle und dieser seltsame Akzent – aber sie erkannte sie trotzdem. Niemand sonst hatte dieses grausige Timbre. Es war Wolf.
»So, so« – Myrs Stimme war leise –, »jetzt spioniert mir Sianim schon hinterher.« Aralorn wandte ihre Aufmerksamkeit dem König von Reth zu. In der kurzen Zeit, seit sie mit ihm gesprochen hatte, war er um Jahre gealtert. Er war dünner, seine Lippen waren angespannt und schmal, und seine Augen waren die des harten Kriegers, der sein Großvater gewesen war, und nicht die des jungen Burschen, dem sie auf der Burg des ae’Magi begegnet war. Er trug Kleider, die gut zu einem Fallensteller oder einem fahrenden Händler gepasst hätten, hier und dort mit akkuraten Nadelstichen geflickt.
Da Aralorn ihre Mausform nicht mehr sonderlich dienlich erschien – und es als Mensch wesentlich einfacher war, sich zu unterhalten –, hüpfte sie behände von ihrem luftigen Sitz und nahm wieder ihre normale Gestalt an, die allerdings nicht die Gestalt war, in welcher der König sie kannte. »Nein, mein Lord«, antwortete sie. »Oder zumindest lautet so nicht mein Auftrag. Sianim hat Spione auf jeden angesetzt. Vielmehr stellt dies hier ein äußerst glückliches Zusammentreffen dar. Ich war auf der Suche nach Euch, um Euch zu berichten, dass die Kuriere des ae’Magi allen Bürgern im Umkreis von Eurem Anfall geistiger Umnachtung berichtet haben.« Sie sprach förmlich und langsam, um ihm Gelegenheit zu geben, sich auf ihren veränderten Zustand einzustellen.
Rether waren nicht weniger voreingenommen gegen Gestaltwandler, nur geneigter, ihre Existenz
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