ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
dass ich nicht ganz der bin, der ich zu sein scheine. Ich bin nicht einmal Rether. Ich bin aus Darran. Ich weiß nicht, ob es Euch bekannt ist, aber Darran steht ebenfalls unter dem Einfluss des ae’Magi.«
»Darran?« Darraner hassten Magie. Dort machten sich Leute, die Magie wirken konnten, entweder schleunigst aus dem Staube, oder sie riskierten ein unrühmliches Ende. Schwer vorstellbar, dass irgendein Darraner den ae’Magi guthieß.
Er sah ihren zweifelnden Gesichtsausdruck.
»Ja. Es war ziemlich offensichtlich, als es passierte«, fuhr er fort. »Beängstigend. Ich hab etwas Falsches gesagt und hab daraufhin um mein Leben rennen müssen.« Er zuckte die Achseln. »Ich hab keine Ahnung, warum ich hierhergekommen bin. Irgendetwas hat mich hergezogen, schätze ich. Der Ort schien so gut wie jeder andere zu sein. Und dann fand ich dieses Tal voll von Leuten wie mir, Flüchtlinge, die sich vor dem ae’Magi versteckten. Aber sie waren alle Rether. Angesichts der derzeitigen Spannungen zwischen meiner Heimat und Reth, konnte ich ihnen wohl kaum sagen, dass ich ein Darraner von edler Geburt bin.
Also hab ich ihnen erzählt, ich wäre der Sohn eines rethischen Kaufmanns. Mir schien das eine ganz gute Idee zu sein, ich spreche Rethisch mit einem so schwachen Akzent, dass ich auch aus irgendeiner beliebigen westlichen Provinz stammen könnte – und es erklärte auch meine kostbaren Kleider.
Und dann hatte Myr die Idee mit dieser Ausbildung in Schwertkampfkunst. Doch wo sollte ein Kaufmannssohn den Schwertkampf nach Art der Darraner erlernt haben? Also versuchte ich Euch zu täuschen.«
Aralorn musterte ihn. »Ein ziemliches Problem, da habt Ihr wohl recht. Aber Ihr werdet das alles Myr erzählen. Wenn Ihr es nicht tut, tue ich es.« Die letzten beiden Sätze sprach sie mit deutlichem Nachdruck. Sie hatte, bevor sie zur Spionin geworden war, so manchen Haufen neuer Rekruten gedrillt – und einige brauchten Befehle, die auch wie Befehle klangen.
Edom sperrte sich, sie sah es an seinen Augen. Entweder lag es an dem Befehl selbst oder an der Vorstellung, Myr sein Geheimnis preiszugeben oder daran, von einer Frau, zudem einer Retherin, gesagt zu bekommen, was er zu tun hatte, oder aber an allem zusammen. Aralorn wusste es nicht, aber sie wartete, während er offenbar versuchte, eine Lösung zu finden, und sah schließlich, wie er seinen Stolz herunterschluckte.
»Ich hab gehört, er soll nicht so voreingenommen wie die meisten Rether sein.« Sie machte eine Handbewegung, die vage den Rest des Feldlagers einschloss. »Und bei dem Mangel an ausgebildeten Kämpfern, der hier herrscht, kann Myr es sich nicht leisten, allzu kleinlich zu sein.«
Edom schaute sie einen Moment lang an. »Ich denke, dann bring ich’s am besten gleich hinter mich.« Er rang sich ein schwaches Lächeln ab, holte tief Luft und schien sich zu entspannen. »Falls er mich nicht davonjagt, könnte es ja ganz nett werden, zur Abwechslung mal zu etwas nutze zu sein, anstatt die ganze Zeit nur abseits zu stehen.« Er verneigte sich leicht vor ihr, der Schüler vor seinem Lehrer, und setzte sich alsdann in die Richtung in Bewegung, in der Myr nach wie vor kämpfte.
Aralorn reckte sich müde. Bei aller Erschöpfung hatte es doch gutgetan, mit einem Schwert statt mit einem Wischmopp den Körper zu stählen – nicht so gut, wie ein gepflegtes Kampfstab-Duell, aber nahe dran.
Sie war völlig verschwitzt, und es juckte sie überall, also schlenderte sie hinüber zu dem kleinen Fluss. Es dauerte zwar eine Weile, aber schließlich fand sie eine Stelle, die tief genug war, um sich vernünftig zu waschen; es gab auf dem Grund sogar einen großen flachen Stein, auf den sie sich knien konnte, was allemal angenehmer war als der matschige Schlamm. Sie tauchte mit dem Kopf unter – das eisige Wasser war eine Wohltat für die überhitzte Haut.
Als sie wieder hoch kam, um Luft zu holen, hörte sie eine mittlerweile vertraute Stimme sagen: »Siehst du, hab dir doch gesagt, dass sie ein ganz komisches Schwert hat. Guck mal, das Heft ist aus Metall.«
Aralorn nahm sich die Zeit, sich mit dem Ärmel das Gesicht abzuwischen und sich das tropfende Haar aus dem Gesicht zu streichen. Stanis und sein stiller, gleichwohl grinsender Gefährte Tobin warteten währenddessen am Ufer und schauten ihr zu. Sie verbarg ein Grinsen, als sie Stanis’ Pose wiedererkannte: ernstes Gesicht, Füße auseinander, die Hände hinter dem Rücken verschränkt – so stand Myr immer da,
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