ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
eines Heranwachsenden – Ellbogen, noch mal Ellbogen und Unbeholfenheit. Die anderen rangierten irgendwo dazwischen. Nach drei oder vier Jahren regelmäßiger Arbeit mit dem Schwert würden sie eine ganz passable Figur machen, vielleicht.
Im Grunde spielte es keine Rolle, dachte sie. Sollte es wirklich irgendwann auf einen Kampf Mann gegen Mann hinauslaufen, waren sie alle so oder so dem Tode geweiht. Aber es war etwas, das sie beschäftigt hielt und ihnen das Gefühl gab, auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten.
Den ersten Kampf bestritt sie mit Haris, aus der Überlegung heraus, dem besten Kämpfer zuerst gegenüberzutreten – solange sie noch frisch war. Eine, wie sich herausstellte, gute Idee. Er mochte vielleicht nicht viel Erfahrung im Umgang mit der Klinge besitzen, aber er war in seinem Leben schon in mehr als nur einen schmutzigen Kampf verwickelt gewesen. Hätte sie allein auf ihre Schwertkampfkünste vertraut, hätte sie möglicherweise verloren; doch auch Aralorn hatte schon den ein oder anderen schmutzigen Kampf hinter sich.
Als sie ihn schließlich ausmanövriert hatte, verzogen sich Haris’ Lippen zu dem ersten wirklichen Grinsen, das sie auf seinem Gesicht sah. »Für ein so kleines Ding kämpft Ihr recht gut.«
»Für einen ungeschlachten Rohling seid Ihr auch nicht so schlecht«, erwiderte sie und ließ von ihm ab. Sie wandte sich zu den Zuschauern um. »So kämpft man auf einem Schlachtfeld. Aber nicht in einer Übungsstunde in Schwertkampfkunst. Das Schwert war ihm mehr im Weg, als dass es ihm genützt hätte. Wenn er heute in einer Schlacht gekämpft hätte, wäre er mit einem Knüppel besser drangewesen als mit einem Schwert. Das wird in einem Monat nicht mehr so sein, für keinen von euch – hoffe ich.«
Die anderen Kontrahenten waren leichter, und so erklärte sie und erteilte Ratschläge, während sie kämpfte. Trotzdem war sie, als sie schließlich dem letzten Schüler, Edom, gegenüberstand, etwas außer Atem. Das ständige Scheuern des Gasthausfußbodens hatte sie zwar leidlich in Form gehalten, aber ein zweistündiger Unterricht im Schwertkampf stellte ihre Ausdauer auf eine ernsthafte Probe.
Sie begann mit der gleichen Eröffnung, die sie auch bei den vorangegangenen Kämpfen angewandt hatte – ein simpler Seitenschwung, mit dem alle anderen klargekommen waren. Nicht so jedoch Edom; er fiel hin und offenbarte sich damit als völliger Tölpel im Kampf mit der Klinge. Von den anderen war unterdrücktes Gekicher zu hören. Doch irgendetwas an dem Sturz kam Aralorn merkwürdig vor; wenn er von der Wucht des Schlages umgeworfen worden wäre, hätte er nicht ganz so weit stürzen dürfen. Sie war nicht annähernd groß genug, um ihn ohne eine größere Hebelkraft, als sie ein Seitenschwung ermöglichte, so weit zu stoßen.
Sie half ihm auf und reichte ihm sein Schwert. Nahm ihn dann am Handgelenk und zeigte ihm noch einmal, wie er einen solchen Hieb abwehren musste. Beim nächsten Versuch schaffte er es, mit Ach und Krach. Zuerst arbeitete sie sehr langsam mit ihm, dann erhöhte sie allmählich das Tempo. Er tat sich ausnehmend schwer, ließ beim Kämpfen jedoch nichts Ungewöhnlicheres erkennen als schlichte Ungeschicklichkeit.
Sie übte mit ihm drei Abwehrhaltungen, griff ihn auf verschiedene Weisen an und zeigte ihm, wie sich jede der Attacken abblocken ließ. Wurde müde und machte einen Fehler, der einem besseren Schwertkämpfer niemals unterlaufen wäre. Sie setzte einen komplexen Schwung ein, der ebenso schwierig auszuführen wie zu kontern war, und verschätzte sich dabei. Voller Entsetzen wartete sie, dass die Klinge in sein Bein schnitt.
Er blockte sie ab.
Wozu er beim derzeitigen Stand seiner Fähigkeiten gar nicht hätte in der Lage sein sollen. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie selbst imstande gewesen wäre, diesen Angriff zu parieren. Und ganz sicher hätte sie nicht die Kombination, die er benutzt hatte, auszuführen vermocht. Sie trat einen Schritt zurück und sah ihm in die Augen. Leise, sodass niemand außer ihr es hören konnte, sagte er: »Wenn ich Euch das unter vier Augen erklären dürfte?«
Sie überlegte kurz und nickte. Dann wandte sie sich zu den anderen um, entließ sie und schickte sie zu Myr hinüber, der nicht weit von ihnen immer noch kämpfte.
Als sie allein waren, blickte sie Edom erneut eindringlich an. Er scharrte mit einem Fuß auf dem Boden. »Ihr …« Seine Stimme kippte; er räusperte sich und versuchte es noch mal. »Ihr wisst,
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