ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
nutzloses Steckenpferd sei.« Und wieder ernster: »Zu zweit schaffen wir natürlich mehr, als ich allein bewältigen könnte. Wenn ich wenigstens den Namen eines Magiers mit einem Zauber, der ihn aufhalten könnte, hätte, das würde uns eine Menge Zeit sparen. Ich hab eine Bibliothek hier in der Nähe, und wenn du dir die weltlichen Werke vornimmst, kann ich mich mit den Zauberbüchern befassen.«
Aralorn ließ den Blick über die wilde Gebirgslandschaft um sie herum schweifen. »Du hast hier in der Nähe eine Bibliothek?«
»Ja.«
»Ja«, wiederholte sie.
Sie schaute ihm in die ernsten Augen. Wenn sie ihn nicht so gut gekannt hätte, hätte sie die leise Belustigung in den bernsteinfarbenen Tiefen vielleicht nicht einmal bemerkt.
»Ich hab wohl gemerkt, dass du auf meinen Einwand vorhin nicht eingegangen bist«, sagte sie. »Noch mal: Dies ist der ae’Magi, von dem wir reden. Denkst du wirklich, dass du es mit ihm aufnehmen kannst?«
»Nein«, antwortete Wolf leise. »Aber ich bin die einzige Chance, die wir haben, oder etwa nicht?«
Von unten im Tal drang das ferne Geräusch des auf einen Kochtopf schlagenden Metalllöffels zu ihnen herauf – der althergebrachte Ruf, sich zum Mahl zu versammeln.
Wolf rollte sich geschmeidig auf die Pfoten und verwandelte sich fast aus der Drehung heraus in die große, maskierte Gestalt, die sein menschliches Erscheinungsbild war. Galant streckte er eine Hand aus, um Aralorn auf die Beine zu helfen.
Ein klein wenig argwöhnisch ergriff sie die Hand. In seiner menschlichen Form sah ihr Gegenüber irgendwie noch bedrohlicher aus, als er es als Wolf war. Davon abgesehen bewegte er sich als Mensch mit der gleichen Anmut wie als Wolf. Neidvoll sah sie ihm zu, wie er mühelos die Böschung bewältigte, die sie selbst mehr herunterkrabbelte und -rutschte als irgendwas sonst.
Plötzlich schoss ihr ein beunruhigender Gedanke durch den Kopf. Unten im Tal angekommen, ergriff sie seinen Arm und hielt ihn zurück.
»Wolf, ich glaube, ich könnte dir ein Problem beschert haben.« Nervös biss sie sich auf die Lippe.
»Und zwar?«, fragte er.
»Bei dem Ball auf der Burg des ae’Magi, an dem Abend, als ich von dort verschwunden bin, hat Myr mich in dem Käfig gesehen, in dem er eigentlich nur einen Vogel hätte erblicken sollen. Der ae’Magi hat mitbekommen, wie er mit mir gesprochen und mir Fragen gestellt hat. In der Hoffnung, Myrs Magie-Immunität damit vor dem ae’Magi verheimlichen zu können, hab ich ihm erzählt, ich hätte einen Magier gesehen, der Myr geholfen hat, den Illusionszauber zu brechen.« Sie heftete ihren Blick auf den Kontrast, den ihre Hand vor seinen schwarzen Seidenärmeln schuf: Es war schwer, nicht zu vergessen, dass die maskierte Gestalt Wolf war. »Hab ich dich damit in Schwierigkeiten gebracht?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich denke nicht. Das war wahrscheinlich der Grund dafür, warum er von verirrten Armbrustbolzen zu einem Elementar übergegangen ist – der Zeitpunkt käme ungefähr hin. Aber da wir es überlebt haben, ist es nicht weiter tragisch.«
Myr war schon auf und kümmerte sich mit einer Rührigkeit um sein Frühstück, die Aralorn faszinierte. Sie ließ sich eine Schüssel mit Getreidebrei geben, die an Menge wettmachte, was an Geschmack fehlte. Doch nach dem Fraß, den sie in der Herberge hinuntergewürgt hatte, sah sie keine Veranlassung, sich zu beschweren. Wolf aß nichts, noch nahm er seine Maske ab, was seinem üblichen Verhalten zu entsprechen schien, da niemand dazu etwas sagte.
Während sie aß, nahm sich Aralorn die Zeit, die Menschen um sie herum zu betrachten. Die Einführung, die sie am Abend zuvor erhalten hatte, war zwangsläufig etwas kurz ausgefallen, und viele der Leute hatten bei ihrem Eintreffen bereits geschlafen. Sie konnte nur einigen wenigen Gesichtern einen Namen zuordnen.
Der sauertöpfische Koch war ein Schmied aus einer Provinz im südlichen Reth. Eine lange tätowierte Schlange wand sich um einen seiner kräftigen Unterarme und verschwand dort im Ärmel. Ihr fiel auf, dass bei all seiner Barschheit seine Stimme immer, wenn er mit den Kindern redete, auffallend sanft wurde. Sein Name war Haris.
Etwas abseits von den anderen saß Edom. Er besaß das dunkle glatte Haar und die blässliche Haut, wie sie häufig zu finden waren in Teilen des westlichen Reth – das Vermächtnis einer Vermischung mit den finsteren Darranern. Er hatte die zarten, gepflegten Hände eines Aristokraten. Edom stellte eine
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