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ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)

ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)

Titel: ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Briggs
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wenn er über etwas nachdachte.
    »Habt Ihr schon mal jemanden getötet?« Stanis’ Stimme war voll schauriger Erwartung.
    Sie nickte ernst, während sie sich ein weiteres Mal die langen Ärmel der Jacke, die einmal dem Sohn des Herbergenbesitzers gehört hatte, wieder hochkrempelte. Vielleicht sollte man sie auch abschneiden. Und von den viel zu großen Stiefeln hatte sie bereits Blasen.
    »Ihr solltet nur mit einem Schwert kämpfen, das ein Holzheft hat«, sagte Stanis besorgt. »Wenn Ihr mit Eurem Schwert einen Magier tötet, wird seine Magie Euch vernichten.«
    Sie hätte ihm erklären können, dass ein Magier, der so mächtig war, dass er in dieser Hinsicht ein Problem darstellte, sich ganz gewiss von keinem Schwert der Welt davon abhalten lassen würde, sie zu töten. Aber sie wollte den beiden nicht noch mehr Angst machen, als sie ohnehin schon hatten.
    »Deshalb verwunde ich Magier auch nur mit meinem Schwert«, erwiderte sie. »Wenn ich ihnen dann den Garaus mache, benutze ich immer mein Messer. Das hat einen Holzgriff.«
    »Oh«, sagte Stanis, offensichtlich zufrieden mit ihrer Antwort.
    Einen Moment lang schwiegen sie, dann sagte Stanis: »Tobin wollte wissen, ob Ihr uns etwas übers Leutetöten erzählt.«
    »Klar, warum nicht?«, willigte Aralorn ein. Nichts lag ihr ferner, als auf die Gelegenheit, eine Geschichte zu erzählen, zu verzichten. Ihre Freunde verdrehten immer die Augen, wenn sie wieder mit einer anfing, aber Kinder waren stets ein dankbares Publikum. Sie schaute sich nach einer geeigneten Stelle um. Entschied sich für einen grasbedeckten Bereich ein kleines Stück entfernt vom Fluss, wo der Boden relativ trocken war, und ließ sich dort mit gekreuzten Beinen nieder. Nachdem ihr Publikum ebenfalls Platz genommen hatte, räusperte sie sich und begann mit der Geschichte.
    Als Wolf herankam, saß sie noch immer dort im Gras. Ihre Zuhörerschaft war inzwischen auf den größten Teil des Feldlagers angewachsen, wobei Myrs kunterbunte Armee nicht minder gebannt an ihren Lippen hing als nur irgendeiner der hartgesottenen Söldner in ihrem Lieblingswirtshaus. Leise trat er näher heran, bis er hören konnte, was sie erzählte.
    »… wir also auf Zehenspitzen ein zweites Mal an dem Maul des Drachen vorbei. Wir mussten teuflisch aufpassen, nicht in die Pfützen von Gift zu treten, das dem alten Scheusal von den Zähnen tropfte, während es schlief.«
    Sie hatte gestern ihrer Laufbahn und ihrer Heimat den Rücken gekehrt – ganz gleich, was bei dieser Sache herauskam, sie hatte Befehle missachtet. Wenn sie jemals nach Sianim zurückkehrte, dann als Kriminelle und Deserteurin. Sie wusste das. Wusste, dass Myrs kleine Schar von Flüchtlingen dem Untergang geweiht war, sofern sie nicht das Glück von Göttern hatten – und Wolf glaubte nicht an Glück, dann eher schon an Pech. Und da saß sie und unterhielt diesen bejammernswerten und hoffnungslosen Haufen mit ihrem unerschütterlichen Frohmut.
    »Drachenohren« – sie sprach in so gewichtigem Ton, dass einige in ihrem Publikum nickten, zu Wolfs stiller Belustigung auch Myr –, »müsst ihr wissen, sind nämlich, auch wenn man sie überhaupt nicht sehen kann, unheimlich fein. Da waren wir also, wir vier, vollbeladen mit Reichtümern aller Art, und schlichen uns an diesem riesigen Untier vorbei, das uns alle mit einem Happs verschlingen konnte. Wir wagten kaum zu atmen. Machten nicht das leiseste Geräusch, so vorsichtig traten wir auf.« Ihre Stimme senkte sich zu einem weit tragenden Flüstern. »Erinnert ihr euch an die juwelenbesetzten goldenen Kelche, die Wikker so gut gefielen? Gerade als wir genau vor dem Drachen waren … die gewaltige Bestie, sie atmete gerade aus, und es war, als würden wir von einem Frühjahrssturm erfasst, so schlimm blies es. Der Windzug erfasste einen von Wikkers Kelchen und schleuderte ihn dem mächtigen Scheusal direkt auf das schuppenbedeckte Maul.« Sie schloss ihre Augen und sah einen Moment lang nur noch kummervoll aus, wartete …
    »Und dann? Was passierte dann?«, fragte eine gedämpfte Stimme in der Menge.
    Aralorn schüttelte den Kopf und breitete ihre Arme aus. »Was glaubt ihr, was passiert ist? Er hat uns gefressen.«
    Es folgte ein kurzer Augenblick der Stille, dann verlegenes Lachen, als allen aufging, dass ihnen von Anfang an eine Lügengeschichte aufgetischt worden war. Wolf stand nah genug, um mitzubekommen, wie Stanis sich missmutig beschwerte: » So hätte das aber nicht ausgehen sollen. Ihr

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