ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
den leeren Zwischenraum über dem ursprünglichen Wort schrieb, für den Fall, dass er das Buch irgendwann noch einmal lesen musste, hörte er Aralorn leise lachen.
Er lächelte hinter seiner Maske, als er sah, wie sie mit ihrem Federkiel wild auf dem Blatt Papier herumkritzelte. Ihre Krakelei war kein bisschen besser als das, was er gerade zu entwirren versuchte. Die Hand, die den Federkiel hielt, war schwielig und mit Tinte bekleckert. Verschmierte Tinte fand sich auch auf ihrem Gesicht, dort, wo sie sich die Haare zurückgeschoben hatte.
Widerstrebend wandte er sich wieder seiner eigenen Lektüre zu.
Aralorn schlug das schmale Bändchen wieder zu und stellte es zurück ins Regal. Als sie einen weiteren vielversprechenden Kandidaten ausgewählt hatte, war Wolf so sehr in sein Zauberbuch vertieft, dass sie ihn nicht stören wollten und sich erst einmal setzte.
»Wolf«, sagte sie plötzlich, von einem komischen Gedanken aufgeschreckt.
Er hob die Hand und bedeutete ihr, sich zu gedulden, bis er fertig war, was sie, wenn auch widerwillig, tat. Schließlich blickte er auf.
»Worin besteht für dich der Unterschied zwischen normaler und grüner Magie? Mir wurde immer erzählt, dass Menschenmagier die Magie aus sich selbst heraus erschaffen, während Anwender grüner Magie die Macht aus der Außenwelt ziehen, aber sagtest du nicht, der ae’Magi hätte eine Möglichkeit gefunden, sich an äußere Kräfte zu koppeln? Dass er auf diese Weise seinen Einfluss über ganz Reth und Sianim auszudehnen vermag? Macht ihn das ebenfalls zu einem Grünmagier? Seine Magie fühlt sich für mich nicht wie grüne Magie an.«
In typischer Wolf-Manier begann er seine Antwort mit einer Frage. »Wie umfassend war deine Ausbildung in Magie?«
Sie grinste. »Nicht sehr. Ihr Magier seid ja nicht sonderlich offen dafür, Wissen zu teilen, nicht einmal untereinander, und die Gestaltwandler sind von hochgeistigen Studien nicht gerade angetan. Selbst über grüne Magie weiß ich im Grunde nur, wie man sie benutzt, und was das betrifft, bin ich beileibe keine Expertin. Aber immerhin hab ich genug Zeit bei dem Volk meiner Mutter verbracht, um das Gestaltwandeln und ein paar geringere Zauber zu erlernen. Und ich kann den Unterschied zwischen den verschiedenen Formen der Magie spüren« – sie presste eine Faust an ihr Herz –, »hier, aber ich könnte nicht sagen, was das bedeutet.«
Er knurrte zustimmend und ließ einen Augenblick verstreichen, um seine Worte zu wählen. »Ich hab diese Erklärung auch schon gehört. Ich würde sogar wagen zu behaupten, dass die meisten Magier das glauben. Dass Menschenmagie mächtiger als grüne Magie ist.« Er klopfte ein paar Mal mit den Fingern auf den Tisch, was sie überraschte. Er war stets so undurchdringlich, so beherrscht, dass man ihn nur selten eine Bewegung wie diese aus keinem anderen Grund machen sah, als um seine Gedanken zu sammeln.
Schließlich sagte er: »Die Altvorderen glaubten, dass die Magie einst in einem verborgenen Teich im Schloss der Göttin der Natur existierte und dass sie diese Magie dazu benutzte, den Wechsel der Jahreszeiten herbeizuführen und das Gras wachsen zu lassen. Eines Tages fand ein gewitzter Mann einen Weg, unbemerkt etwas Wasser aus dem Teich zu stehlen. Er wurde der erste Menschenmagier.
Stell dir Magie als einen Teich roher, ungeformter Macht vor, die nach und nach in die irdische Welt sickert und so wirkt, wie es die Natur getan hätte – eine Kraft, die Bäume wachsen und die Sonne aufgehen lässt. Nach meinem Verständnis ist grüne Magie die Magie, die sich die Natur bereits zunutze macht, welche der Grünmagier einsetzt und mit kleinen Knüffen hier und da dazu bringt, einen anderen Verlauf zu nehmen. Die Magie, derer er sich bedient, ist die Magie der Natur, schon geformt zu einem Zweck. Sie ist sicherer und vielleicht auch leichter anzuwenden, aber nicht so veränderbar und biegsam wie das Rohmaterial.
Wenn man diese Definition gelten lässt – und sei es auch nur als ein Bild – dann würde normale … Menschen magie …« Er zögerte. »Zumindest für die meisten Magier geht sie schrittweise vonstatten. Zuerst muss der Menschenmagier den magischen Teich anzapfen. Das ist ungefähr so, als ob man durch einen Halm trinken würde – wenn einem die Puste ausgeht, hört die Flüssigkeit auf zu strömen. Dann nimmt der Magier die rohe Macht, die er eingesammelt hat, und benutzt sie, um einen Zauber, eine Schablone zu erschaffen. Je mehr Magie der
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