ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
Magier ziehen kann, desto stärker ist er, aber er muss die Schablonen, in welche die Magie geformt werden soll, kennen und mit dem Formen sofort beginnen – also noch während er sie herauszieht –, damit sie ihn nicht überwältigt.«
Er schaute über ihren Kopf hinweg auf einen unbestimmten Punkt. Auch Aralorn warf einen Blick nach hinten, konnte jedoch nichts entdecken, das seine Aufmerksamkeit zu erregen vermocht hätte.
»Kann er die Magie jedoch nicht formen, muss er sie als rohe Macht entlassen. Und in die Welt freigegebene rohe Magie nimmt den Zustand von Feuer an und brennt aus. Nur wenige Magier vermögen mit ihrer unkontrollierten Magie mehr zu vollbringen, als nur ein Lagerfeuer zu entfachen. Denn für die meisten Magier ist das Schwierigste an der Sache das Sammeln von Magie. Sie zu beherrschen und dazu zu bringen, dem eigenen Willen zu gehorchen, ist im Allgemeinen eine Frage des Memorierens von ein oder zwei Zauberformeln. Obwohl natürlich eine große Menge roher Magie schwerer zu formen ist als eine kleinere Menge.«
»Wirst du dafür, dass du mir das erzählt hast, nun aus der Geheimgesellschaft der Magier rausgeschmissen werden?«, fragte Aralorn. Ihr drehte sich ein bisschen der Kopf bei dem ganzen Fachwissen, das ihr gerade vermittelt worden war.
»Geheimgesellschaft der Magier?« Seine Stimme klang amüsiert, wenngleich nicht fröhlich. »Wenn es so eine Gesellschaft gäbe, dann hätte ich mich schon vor langer Zeit losgesagt von ihr. Glaub mir, das Herumerzählen von Geschichten ist mein geringstes Verbrechen.«
Er schaute auf das Buch vor sich, aber es kam Aralorn nicht so vor, als würde er darin lesen.
»Der ae’Magi, so mächtig er auch ist, wäre gar nicht imstande zu … all dem –« Wolfs Körper war angespannt; er riss den Arm hoch und deutete Richtung Höhleneingang. Aralorn nahm an, er bezog sich mit »all dem« auf die Vorgänge in der Welt dort draußen. »Niemals könnte er jeden einzelnen Verstand eines ganzen Volkes übernehmen, ohne sich älteren Praktiken zuzuwenden.«
»Ältere Praktiken?«
Er sackte etwas in sich zusammen, seine Hände streichelten das Buch, als gäbe es ihm Trost. »In der Burg des ae’Magi lagert viel Wissen. Sie haben all die Dinge – Bücher, Artefakte und dergleichen –, die nicht zerstört werden konnten, dorthin gebracht, wo sie gegen Missbrauch geschützt sein würden. In den verbotenen Büchern stieß der ae’Magi auf eine Methode, Energie in einer Weise aufzuzehren, dass er somit die magischen Kanäle länger aufrechterhalten kann als je zuvor. Kurz: Er hat die Menge an Macht, die er jeweils einfangen kann, um ein Beträchtliches erhöht, und deshalb ist er jetzt stärker als jeder andere lebende Magier.«
Sie schaute ihn an und musste wieder an Cain denken, den Sohn des ae’Magi. Aber der ae’Magi hatte durch seine Taten viele Leute enttäuscht. Die intimen Kenntnisse, die Wolf besaß, konnten auch von irgendeinem Magier im näheren Umfeld des ae’Magi stammen. Einem seiner Lehrlinge vielleicht. Es gab so einige, die in den letzten Jahren »verstorben« oder spurlos vom Erdboden verschwunden waren – das Studium der hohen Magie war um kein Fitzelchen sicherer, als es das Söldnerleben war.
»Du sagtest vorhin, Menschenmagie funktioniere bei den meisten Magiern so. Bei dir nicht?«, fragte Aralorn vorsichtig.
Seine goldenen Augen funkelten sie an wie die eines Raubvogels. Mit einem Mal kam er ihr wie ein Fremder vor, feindselig geradezu.
Aralorn reckte das Kinn und weigerte sich beharrlich, ihn als Bedrohung zu empfinden. »Wie funktioniert sie bei dir?«, konkretisierte sie ihre Frage.
Plötzlich entspannte er sich, lockerte die Schultern. »Ich vergesse manchmal, wie schwierig es ist, dir Angst einzujagen«, sagte er mit sanfter Stimme. »Na gut, ja, bei mir ist es anders. Zu Beginn meines Studiums der Magie ließ sich noch nicht erkennen, wie anders ich war. Erst als ich anfing, die mächtigeren Zauber zu wirken, machte sich der Unterschied bemerkbar. Die meisten Magier sind durch die Magie eingeschränkt, die sie in sich aufzunehmen vermögen. Ich bin eher begrenzt durch die Menge von Magie, die ich zu einem Zauber formen kann.«
Einer ziemlichen Menge , dachte Aralorn, sich des Kaufmanns erinnernd, den er von einem Punkt in der Welt zu einem gänzlich anderen befördert hatte.
»Ich vermute, dass der ae’Magi« – er unterbrach sich und berührte leicht ihre Hand –, »der mein Lehrer war, wie du sicher schon
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