ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
Nichts an einen Ort zurückgerufen, an dem sie lieber nicht sein wollte. In einem pseudorationalen Moment war sie sicher, dass sie es nur finden und töten musste, um frei zu sein und fortgehen zu können.
Sie suchte in ihrer Einbildung nach ihm, und bruchstückhafte Sinneseindrücke stürmten auf sie ein. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht mit ihren Augen. Kaltes Eisen, das bleibende Verletzungen hinterließ. Es hatte gebissen und gefressen und …
Sie schreckte zurück und fand einen anderen Erinnerungsfetzen. Magie, entsetzlich verzerrt und verdorben. Magie, die tote Menschen atmen ließ. Sie flößte ihr Angst ein. Hier gab es Sicherheit nicht einmal im Tod, und sie sehnte sich nach der Zuflucht, die der Tod doch bieten sollte. Dann durchtrennte das kalte Eisen die Verbindung zu den toten Kreaturen, die den Raum mit ihr teilten. Sie hatte sich noch nie so hilflos gefühlt; die Platzangst, die Besitz von ihr ergriff, ließ sie sich wieder und wieder bis zur Erschöpfung gegen die Fesseln stemmen. Fesseln, von denen sich die meisten gut ausgebildeten, reinblütigen Gestaltwandler möglicherweise zu befreien vermocht hätten, doch sie besaß nur all die Schwächen und zu wenig Macht.
Da … während sie kämpfte … hatte sie es fast. Das Ding, das sie zurückgezerrt hatte und Schuld daran war, dass sie wieder Schmerzen erlitt. Es war Klang, vertrauter Klang. Wie konnte dergleichen sie überhaupt bedrängen?
Sie war so müde. Ihr Fokus entglitt, und die Bilder wechselten schneller und schneller, bis sie wieder in ihren Albtraumerinnerungen verloren war.
Sie rasteten drei Tage an dem gleichen Ort. Was ihn nicht wenig beunruhigte, da sie sich nach wie vor viel zu nah an der Burg des ae’Magi befanden. Doch er fand den Gedanken, sie weiterzutransportieren, noch weit beunruhigender. Anstatt sich zu erholen, wurde Aralorn, seit sie aus der Zelle heraus war, anscheinend nur noch kränker. Aus ihren entzündeten Augen floss der Eiter. Das Fieber stieg zwar nicht mehr, aber es sank auch nicht. Das Atmen fiel ihr immer schwerer, und wenn sie hustete, war ihr anzumerken, wie sehr ihre Rippen dabei schmerzten.
Während er sie beobachtete, marterte er sich mit Selbstvorwürfen. Hätte er sie schneller gefunden, wären ihre Chancen besser gewesen. Ihre Augen waren erst vor kurzem mit den Nadeln malträtiert worden. Hätte er nur früher bedacht, dass sie vielleicht das Erscheinungsbild einer anderen Person angenommen haben könnte, hätte er sie schon bei seiner ersten Suche entdeckt.
Wie immer, wenn er verärgert war, flackerte feenhaft die andere Magie in ihm auf – stupste ihn an, lockte ihn. Zumeist griff er auf sie zu, verbog sie zu seinem eigenen Nutzen, doch diesmal war er zu erschöpft vor Sorge, Schuldgefühlen und Schlaflosigkeit. Die Magie flüsterte, führte ihn mit instruktiven Visionen in Versuchung.
Seine Augen schlossen sich. Wie fremdgelenkt streckte er sich behutsam neben Aralorn aus. Berührte sanft ihr Gesicht, sah , was dort nicht stimmte – erkannte den leichten Schädelbruch, den er bislang nicht bemerkt hatte.
Als er seiner verführerisch raunenden Magie das Heft überließ, stellte er fest, dass er ihren Puls fühlen konnte, beinahe ihre Gedanken. Auch unter Einbezug körperlicher Liebe war er noch nie jemandem so nahe gewesen. Bei jedem anderen Menschen hätte er um sich geschlagen, hätte alles aufgeboten, um zu entkommen – um allein und in Sicherheit zu sein.
Aber dies war Aralorn, und er musste sie heilen, oder … Ein Stich der Verzweiflung bohrte sich in sein Herz, doch bald schon war er umfangen vom Frieden seiner Magie. Trieb mit ihr eine Weile dahin, die ebenso gut hundert Jahre andauern mochte wie ein winziger Moment. Dann, nach und nach, durchbrach seine Furcht vor Kontrollverlust – sein treuer, wohl dressierter Wächter, wann immer seine schwelende Magie aufzüngelte, ihn zwickte, ihn aufschreckte, ihn hinterrücks beschlich –, die Trance, in die er abgeglitten war.
Er riss die Augen auf und schnappte nach Luft. Sein Herz raste, und er war schweißgebadet. Heftiges Zittern schüttelte ihn. Er drehte den Kopf, sodass er Aralorn ansehen konnte.
Das Erste, was ihm ins Bewusstsein drang, war, dass er wahrhaftig Aralorn ansah. Die veränderten Züge, die sie sich gegeben hatte, waren fort. Auf ihrer relativ blassen eigenen Haut wirkten die Blutergüsse an ihren Beinen schlimmer denn je. Das Fieber verlieh ihren fahlen Wangen eine unnatürliche Farbe.
Als er wieder dazu
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